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Die Proteste in Bayern gegen geplante Stromtrassen sind immer stärker geworden – hier auf einer Kundgebung in Oettingen. Foto: Daniel Karmann/dpa
© Daniel Karmann/dpa

Energiewende auf bayerisch: Die Ratlosigkeit der Frau Aigner

Nach monatelangem "Energiedialog" hat Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ein Fazit gezogen. Doch woher künftig in Bayern der Strom kommen soll, bleibt auch danach unklar. Nun ist wieder Berlin am Zug.

Zwei, eine, keine? Ob und wie viele neue Starkstromtrassen im Zuge der Energiewende vom Norden Deutschlands nach Bayern gebaut werden, bleibt weiterhin unklar – obwohl Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ein Vierteljahr lang mit viel Kraft und Zeit im Freistaat einen „Energiedialog“ betrieben hat. Dieser wurde am Montag beendet, Aigners Fazit zu den geplanten Trassen, die die bayerische Bevölkerung spalten, bleibt schwammig. Sie verlangt auf Bundesebene Verhandlungen über den Bau neuer Gaskraftwerke, die künftige Energielücken in Bayern decken sollten. Gelinge dies, seien neue Leitungen nicht nötig. Sicher ist sich Aigner zumindest: „Zwei neue Trassen werden nicht gebraucht.“

Viele hundert Experten, Vertreter von erneuerbaren Energien und Stromtrassen-Gegner sind in den vergangenen drei Monaten zum Energiedialog ins Münchner Wirtschaftsministerium gepilgert. Ziel war es, nachdem auf dem Land die Proteste gegen die „Monstertrassen“ immer größer geworden waren, einen Konsens über die Energiepolitik zu finden. CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer war nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima derjenige, der so schnell wie möglich aus der Atomkraft aussteigen wollte. 2022 sollen alle vier noch laufenden bayerischen Meiler abgeschaltet sein, bisher produzieren sie noch die Hälfte des Stroms im Freistaat. Doch mit der heftig kritisierten neuen Abstandsregelung für Windräder in Bayern sowie mit der Ablehnung der Trassen, für die die CSU einst als Mitglieder der Berliner Regierungskoalition gestimmt hatte, stellt sich immer drängender die Frage: Wo soll der Strom herkommen?

Ministerin Aigner ist nun der Auffassung, der Energiedialog habe Bayern „entscheidend vorangebracht“. Der Grünen- Landtags-Fraktionschef Ludwig Hartmann hingegen kritisiert „Blockaden“ und „eine große Ratlosigkeit“. Die SPD- Energiesprecherin Natascha Kohnen meint, die Staatsregierung verschiebe die Verantwortung nach Berlin.

In der Bundesregierung hatte man der CSU extra einen zusätzlichen Monat Zeit gegeben, um über deren energiepolitische Vorstellungen und die neue Skepsis gegenüber den Trassen zu entscheiden. Die Christsozialen wissen, dass es dabei nicht um die Durchsetzung eines bayerischen Sonderweges zu einem relativ unbedeutenden Thema geht – sondern dass damit die bundesdeutsche Energiewende steht oder fällt. Selbst die ansonsten nicht gerade CSU-kritische Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft mahnt deshalb nach dem Energiedialog: „Gaskraft muss zur Abdeckung der Spitzenlast vorhanden sein. Auch Trassenneubau ist notwendig.“ Und der Regensburger Energie- Professor Michael Sterner spekuliert gar, dass die Staatsregierung möglicherweise taktiere, um den Zeitplan für den Atomausstieg zu kippen.

Mit den einst gelobten erneuerbaren Energien geht Aigner in ihrem Abschlussstatement nun hart ins Gericht. Man brauche etwa keine neuen Leitungen „für den Export von Überschussstrom“. Gemeint ist überzählige, in Norddeutschland produzierte Windenergie. Auch sehe man heute, dass der Beitrag von Wind- und Sonnenenergie zur Versorgungssicherheit „nur in eng begrenztem Umfang gesteigert werden kann“. Sie warnt vor einem „weiter unkontrollierten Zubau gerade von Windkraft“. Damit müsse nun „Schluss sein“. Sie setzt hingegen auf Gaskraft, obwohl dies keine erneuerbare Energie ist und es vielfache Warnungen vor hohen Subventionierungen gibt.

Hinter ihrer Haltung steckt letztlich Horst Seehofer. Der hat sich Kundgebungen von Stromtrassengegnern angesehen und sich daraufhin gleich als Verbündeter angedient. Er hatte den Bürgern auf Demonstrationen gesagt, dass die Trassen nicht kämen. Sollten die Stromtürme gebaut werden, fürchtet er Zustände wie bei Wackersdorf und sogar den Verlust der CSU-Mehrheit.

Ilse Aigner hat ihre Aufgabe so gut erledigt, wie sie konnte. Doch gab sie ein eher schwaches Bild ab. So wird sie denn auch nicht in der Berlin über die Abkehr von Stromtrassen und den Bau von Gaskraftwerken verhandeln. Das erledigt Horst Seehofer lieber selbst, er wird darüber mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem SPD-Vorsitzenden und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel reden. Für Aigners Ambitionen, Seehofer zu beerben, ist das kein gutes Zeichen. Nach neuen Umfragen wollen sowohl deutlich mehr Bayern aus auch CSU-Anhänger, dass Aigners Rivale, Finanzminister Markus Söder, in die Fußstapfen Seehofers tritt.

Patrick Guyton

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