Gauck-Nachfolge: Die potenziellen Kandidaten geben sich wortkarg
Leerer Saal und beredtes Schweigen: In der Frage der Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck wollen sich in Frage kommende Politiker nicht zu früh aus der Deckung wagen.
Politiker reden gerne, das ist schließlich Teil ihres Berufs. Aber es gibt diese Momente, da würden sie am liebsten gar nichts sagen. Zum Beispiel wenn gerade ein attraktives Amt vakant geworden ist und irgendwer den eigenen Namen dafür ins Spiel geworfen hat. Ab da ist dann die schöne Kunst gefragt, beredt zu schweigen. Seit Bundespräsident Joachim Gauck am Montag angekündigt hat, dass er im nächsten Februar nicht noch einmal als Kandidat zur Verfügung steht, ist diese Übung wieder öfter zu bestaunen – in allen Varianten, auch den nicht so ganz gelungenen.
Am einfachsten ist sie für alle, die sich schon vor Gaucks amtlicher Verzichtserklärung vor einem Mikrofon wiederfanden. „Es ist absolut respektlos, eine Debatte über die Nachfolge zu führen, bevor dieser sich überhaupt erklärt hat“, rügte denn auch am Montag früh so stilsicher wie risikolos Bundestagspräsident Norbert Lammert, den Journalisten auf dem Weg ins CDU-Präsidium abfingen.
Lammert zählt sozusagen zu den Dauerkandidaten auf das höchste Staatsamt, ebenso wie Wolfgang Schäuble, der Finanzminister. Ihre Aussichten auf einen Karriereabschluss im Schloss Bellevue erscheinen aber auch diesmal bescheiden. „Die Union hat klargemacht, dass es kein Sozialdemokrat werden soll“, stellt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Dienstag fest. „Dann wird es nach Lage der Dinge auch kein Christdemokrat.“
Doch ganz so apodiktisch, wie das klingt, will es Oppermann gar nicht gemeint haben. Man müsse reden, auch in der großen Koalition, „aber auch darüber hinaus“. Sein Parteifreund, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, plädiert schon für einen – oder noch besser: eine – ohne Parteibuch, keinen „Lagerkandidaten“. Weil fungiert gelegentlich als Sprachrohr seines Landsmanns Sigmar Gabriel. Dem SPD-Chef käme eine „unpolitische“ Kandidatur sicher recht, genauso wie die CDU-Chefin Angela Merkel oder die Grünen-Spitze objektiv wenig Interesse daran haben können, aus der Bundesversammlung kurz vor der Bundestagswahl ein Koalitionssignal ins Land hinaus zu schicken. Andererseits gibt es in der Union eine kämpferische Stimmung, der Fraktionschef Volker Kauder Ausdruck verlieh: „Wenn mein Kollege Oppermann erklärt, dass es kein Kandidat der Union schaffen würde, dann kann ich nur sagen, es ist sicher nicht das erste Mal, dass ein Sozialdemokrat sich geirrt hat.“
Für Namen, da sind sich wieder alle einig, sei es aber noch zu früh. Die Einsicht ändert nichts daran, dass im Berliner Politikbetrieb sich jeder Gedanken macht. Da werden auch mal abseitige Varianten durchgespielt: Was wäre denn eigentlich, wenn Angela Merkel ...? Heißt es nicht immer, die Kanzlerin wolle ihren Abschied selbst bestimmen?
Oder wie wäre es mit dem aktuellen Lieblingsgrünen aller Deutschen, mit Winfried Kretschmann? Sein frischgebackener Stellvertreter in der Stuttgarter Landesregierung winkt ab: „Mein Eindruck ist: Der macht ganz gerne Ministerpräsident“, sagt der Christdemokrat Thomas Strobl. „Das kann ich nur bestätigen“, bestätigt Kretschmann, womit er also vorerst aus dem Schneider ist.
"Noch sind acht Monate Zeit", sagt der Außenminister
Schwieriger ist die Lage für solche, die an der Personalbörse gehandelt werden und nicht wissen, ob aus der Spekulation nicht doch Realität werden könnte. Einer davon ist gerade auf Auslandsreise in Mexiko. Frank-Walter Steinmeier, Umfrageliebling der Bundesbürger, soll zwar von Merkel wegen des Parteibuchs intern schon abgelehnt worden sein. Aber weiß man’s am Ende? Noch, sagt der Außenminister, sind acht Monate Zeit. „Und das ist eine Zeit, in der die Parteien sich bemühen sollten zu überlegen, was eine richtige Besetzung für das Amt des Bundespräsidenten ist.“ Mehr sei dazu nicht zu sagen. Ein paar Minuten später sagt er doch noch was. „Ich bin Außenminister, und Sie sehen: Ich bin es gerne.“
Das ist diplomatisch vorbildlich und hält ihm alle Türen offen. So hat sich das auch Gerda Hasselfeldt vorgenommen. Die CSU-Landesgruppenchefin hat gerade ihren Abschied aus der Politik angekündigt, weil sie mit dann 66 Jahren Zeit für die Familie haben will. Aber andererseits – 66 ist kein Alter für ein Staatsoberhaupt, und Hasselfeldt ist trotz des CSU- Parteibuchs im Reichstag parteiübergreifend gut gelitten wegen ihrer sachlich- ausgleichenden Art.
Mit ihrem Mann will sie die Frage nicht diskutieren, sagt Gerda Hasselfeldt
Am Dienstag sitzt sie vor der Journalistenrunde, die sie regelmäßig zu Weißwurst und Gespräch in die bayerische Vertretung lädt. Ob sie zur Verfügung stünde? Hasselfeldt wimmelt ab: „... viel zu früh ... steht überhaupt nicht zur Debatte.“ Bis jemand eine verblüffende Frage stellt: Was denn ihr Mann dazu sage?
Ihr Mann, muss man wissen, ist der langjährige CSU-Innenexperte Wolfgang Zeitlmann, also vom Fach. „Ich wüsste gar nicht, was ich mit dem da diskutieren sollte!“ gibt die CSU-Frau zurück. Doch dann rutscht ihr noch ein Halbsatz raus: „Alles zu seiner Zeit!“ Hasselfeldt guckt schnell nach unten, als könne das den vermaledeiten Satz ungeschehen machen – wo ihr doch nichts ferner liegt als eine öffentliche Selbstbewerbung! Aber rausgerutscht ist er doch.