Horst Seehofer und die CSU: Die Pkw-Maut muss nicht zur Pleite werden
Über die Pkw-Maut - und Verkehrsminister Dobrindt - wird gespottet und gestritten. Manchmal wird aber auch einfach zu schnell geurteilt. Wie Horst Seehofer und die CSU doch noch zu den Gewinnern einer Debatte werden können. Ein Kommentar.
Wie sie sich jetzt die Mäuler zerfetzen, die ganz Mutigen, vor allem die in den eigenen Reihen. Über Alexander Dobrindt, den Verkehrsminister, den sie hinter seinem Rücken schon mal „Doofrind“ nennen. Oder über Horst Seehofer, den sie gerne mal als „Crazy Horst“ verspotten. Und das alles auch wegen der Maut. Ja, da ist leicht gespottet. Da ist auch flott geurteilt. Nur, wie so manches Mal, stimmt’s halt nicht, was schnell dahergesagt wird. Nämlich, dass die Maut nicht kommen wird. Dass sie scheitern wird. Dass sie scheitern muss. Halt, stopp!
Brücken, Straßen, Schienen - dafür braucht es Geld
Eins nach dem anderen. Wie meinte gerade ein Experte? Vieles sind Reflexe der „Wut-Fahrer-Nation“. Denn im Grunde brauchen wir die Maut. Wie sonst sollen alle die Brücken, Straßen, Schienen instand gehalten werden, die über viele Jahre gebaut wurden? Es gibt sie doch, sie bleiben, und die Kosten, die bleiben auch. Pro Jahr sind es 7,2 Milliarden Euro, die Bund, Ländern und Gemeinden fehlen, um die Infrastruktur zu erhalten. Um Schlaglöcher zu vermeiden und Brückensperrungen, fehlt vorne und hinten das Geld. Apropos hinten: Kohlendioxid muss auch verringert werden. Was bedeutet, dass es wegen neuer Autos mit geringem Verbrauch weniger Einnahmen aus der Mineralölsteuer geben wird.
Achtung, Wut-Fahrer: in den kommenden 15 Jahren 70 Milliarden weniger. Also, höhere Ausgaben auf der einen Seite, geringere Einnahmen auf der anderen – was bedeutet das? Genau, die Maut muss kommen. Oder so: Eine Maut muss kommen, wahrscheinlich eine, die noch mehr Geld erwirtschaftet als die von Dobrindt geplante. Das wären im Höchstfall aus der Ausländer-Pkw-Lösung 800 Millionen jährlich – das reicht nicht. Es wird womöglich auf eine allgemeine Pkw-Maut hinauslaufen.
Womit wir bei Wolfgang Schäuble wären, dem Bundesfinanzminister. Dem wird, nach bester Autofahrermanier, ja auch gerade mal der Vogel gezeigt. Weil er gerechnet hat, wie es seine Aufgabe ist. Und weil er das getan hat, wozu er aufgefordert worden ist: sich den Plan genau anzuschauen. Da ist ja auch viel zu bedenken und zu beachten, rechtlich sowieso, und politisch auch auf vielen Ebenen. Die erste Ebene ist eine formale: Die Maut steht im Koalitionsvertrag. Die CSU hat von Anfang an klar gemacht, dass die Maut eine conditio sine qua non für sie ist. Pacta sunt servanda, hätte der alte Strauß gesagt, der gern Latein sprach. Geschlossene Verträge gelten. Und Strauß selig ist der CSU heilig.
Weil die CSU darüber hinaus keine FDP sein will, wie sie in aller Öffentlichkeit erklärt, will sie auch nicht so behandelt werden. Oder den Eindruck haben, sie solle so behandelt werden, um sie klein zu machen. Das ist der Teil Psychologie. Hinzu kommt, dass die CSU viel zu wichtig für die Union insgesamt ist. Ohne die Stimmen der CSU, und zwar so viele wie möglich, kann die CDU-Vorsitzende nicht Kanzlerin bleiben. Die CDU allein ist auch nicht so sehr viel stärker als die SPD. Das ist der Teil Mathematik.
Es geht um Psychologie - und um Mathematik
Zum Strategischen zuletzt. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch Vizekanzler. Wenn er je Bundeskanzler werden will, dann muss seine SPD die Vertragstreue in Person sein. In seiner Person. Heißt: Nichts scheitert an ihr, vielmehr gelingt alles nur mit ihr. Und ihm. Für Streit zwischen den Unionsschwestern kann die SPD nichts, da wird sie sich vielmehr fein heraushalten. Darum sagt Gabriel ja auch: Die Maut steht im Vertrag, sie wird kommen, über das Wie reden wir gerade, und wenn ich helfen kann… Auf diese Weise hilft er Dobrindt und der SPD und sich – und nicht nur nebenbei Seehofer.
Der wirkt im Streit mit der CDU ja manchmal doch ziemlich allein. Und crazy ist Seehofer beileibe nicht, sondern ein Christsozialer mit Gespür dafür, was Not tut. Es hat sich aber eingebürgert, ihn nicht mehr nach seinen Erfolgen zu bemessen, sondern nur noch nach Misserfolgen. Da er lange in der Politik ist, ist ihm zuzutrauen, dass er einen Ausweg findet. Der könnte sein: Die Maut durchsetzen, was ein Erfolg wäre, und dann den Übergang in Bayern organisieren. Denn fest steht doch, dass er die CSU nicht mehr in die nächste Wahl führen wird. Da bleibt den Kritikern aber der Mund offen stehen.
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