zum Hauptinhalt
Strittige Verkehrsfinanzierung.
© dpa

Streit um die Maut: Mit dem Rücken zum Nachbarn

Mir san mir, das taugt für den Stammtisch, nicht aber für das europäische Miteinander: Warum Bayern den Bund belasten will. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Es gäbe – nicht erst für diese Bundesregierung – genügend triftige Gründe, die Besteuerung von Fahrzeugen, die Belastung des Benzinpreises durch staatliche Abgaben und die Finanzierung des Fernstraßennetzes auf ein neues Fundament zu stellen. Absolut keinen für verstandesbegabte Menschen nachvollziehbaren Grund aber gibt es für den derzeitigen regierungsinternen Streit über die Bayern-Maut.

Unumstritten ist, dass der Schadstoffausstoß eines Autos bei einer Neuregelung des komplexen Regelungswerkes eine wichtige Rolle spielen sollte. Ökologie ist kein grüner Schabernack, dies haben inzwischen auch wirtschaftsnahe Konservative begriffen. Die Alternativen ihrerseits haben verstanden, dass viele Menschen nicht nur deshalb jeden Tag mit dem Auto hundert Kilometer auf dem Weg zur und von der Arbeit zurücklegen, weil sie gerne die Autobahnen entlangbrettern, sondern dass es in manchen Gegenden Deutschlands einfach nicht ausreichend Arbeitsplätze für alle Bewohner gibt – dass also Entfernungspauschalen im Steuerrecht sein müssen.

Weil Lastwagen die Fernstraßen weit stärker belasten – und ruinieren – als Personenwagen, wurde die Lkw-Maut eingeführt. Sie gilt bislang nur für Transportfahrzeuge ab zwölf Tonnen, aber eine Absenkung wäre durchaus sinnvoll, genauso wie die Einbindung aller Bundesstraßen, um endlich den Ausweichverkehr zu stoppen, der die Anwohner von Bundesstraßen in vielen Städten zur Verzweiflung treibt. Auch über eine generelle Maut auf deutschen Autobahnen, also auch für Personenwagen, kann man diskutieren. Schließlich zahlen deutsche Autofahrer rundherum fast überall Straßenbenutzungsgebühren, eine paritätische Anwendung des Prinzips hätte also nichts mit billiger Revanche zu tun.

Auch für diese Bundesregierung wäre es, so wie es allen Vorgängerregierungen freigestanden hätte, eine große Aufgabe, die Autobesteuerung neu zu regeln. Würde man eine solche Aufgabe ganz grundsätzlich anpacken, wäre es sicher ein Jahrhundertwerk der Politik, denn am Ende sollen ja nicht alle mehr zahlen, sondern eben nur jene, die die Umwelt oder die Straßen besonders stark belasten.

Der CSU geht es auch um Rache

Bayern aber – vor allem verkörpert durch die Christlich-Soziale Union (CSU) – geht es um etwas anderes. Der Truppe um Horst Seehofer fehlt es vor allem an Geduld und Einfühlungsvermögen in die Rolle der Nachbarn. Ausschließlich weil die CSU erst im Bayern- und dann im Bundestagswahlkampf eine „Ausländermaut“ forderte, muss Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt jetzt zu gesetzgeberischen Winkeladvokatereien greifen.

Dass es der CSU nicht um Ökologie, sondern um Rache ging, zeigt die Beschränkung der neuen Maut auf Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen. Das gilt jenen österreichischen Pkws, die auf dem Weg von Innsbruck nach Salzburg das für sie kostenlose deutsche Autobahnsystem nutzen. Dass die österreichische Regierung dann ab Landesgrenze die bayerischen Autofahrer Richtung Süden abkassiert, ist ziemlich unfein – aber vielleicht hätte man ja längst einmal auf regionaler, zwischenstaatlicher Seite darüber reden sollen, ob sich da nicht etwas regeln lässt. Nur: Reden müsste man halt schon und nicht nur polemisieren.

Denn das hat die Europäische Union von Anfang an klargemacht: Eine deutsche Maut muss alle Autofahrer, ob deutsche oder ausländische, in gleicher Höhe belasten.

Dass die Baden-Württemberger, die Rheinland-Pfälzer, die Nordrheinwestfalen und die Brandenburger, um nur einige deutsche Grenzregionen zu nennen, da nicht mitmachen, wenn die Bayernmaut ihnen die gute Nachbarschaft mit der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und Polen versaut, spricht für deren Souveränität – und dafür, dass sie sich nicht durch vermeintliche christsoziale Koalitionsdisziplin das Denken verbieten lassen.

Jedes dieser Länder hat hin und wieder Konflikte mit den Nachbarn, ohne deswegen gleich die Bundesregierung zu Hilfe zu rufen. Da müssen eben autonome Landesregierungen beidseits der Grenzen miteinander sprechen, Kompromisse einfordern, Positionen deutlich machen. Mir san mir, das taugt für den Stammtisch, nicht aber für das europäische Miteinander. Und deshalb ist es richtig, dass sich die Bundesländer dagegen wehren, wenn die bayerische Unfähigkeit, regionale Konflikte zu lösen, zur Last für alle wird.

PS: Die Autobahn, die Innsbruck und Salzburg verbindet, wird übrigens nicht von Bayern, sondern vom Bund finanziert.

Zur Startseite