Kleinparteien auf Wählerfang am Rand: Die Pandemie könnte etablierten Parteien wertvolle Stimmen kosten
Bei weiter steigender Inzidenz könnte Corona für die Wahlentscheidung noch einmal eine große Rolle spielen – und Parteien am Rand zugute kommen. Ein Kommentar.
Emotional ist die öffentliche Debatte beim Thema Corona ohnehin, in Bayern wird die Auseinandersetzung nun sogar auf höchster Ebene persönlich: Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger, selbst nicht geimpft, Spitzenkandidat der Freien Wähler auf Bundesebene, geriert sich als Kämpfer gegen eine vermeintliche „Jagd“ auf Ungeimpfte, die er im Interview mit dem Deutschlandfunk beklagte.
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Markus Söder hält das für den Versuch, sich bei Querdenkern anzubiedern, was Aiwanger als „Unverschämtheit“ zurückweist. Der kernig per diverser Interviews geführte Streit zeigt: Das Thema Corona könnte im Wahlkampf am Rande des Parteienspektrums noch einmal für Bewegung sorgen.
Die Freien Wähler sind von der Fünf-Prozent-Hürde ein Stück entfernt, allerdings nicht so weit, dass der Einzug in den Bundestag schon jetzt de facto ausgeschlossen wäre. Der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer hält es dennoch für unwahrscheinlich, dass die Freien Wähler beim Thema Corona die entscheidenden Prozentpunkte einsammeln, wie er am Montag dem Tagesspiegel sagte.
Zum einen sei die Argumentation Aiwangers, der sich nicht rundheraus gegen das Impfen ausspricht, dafür zu differenziert. Zum anderen gebe es zu viel Konkurrenz um diese Stimmen: die AfD und die Partei „Die Basis“, in der sich Coronaleugner:innen sammeln.
Und wie sieht es am anderen Ende des pandemiepolitischen Spektrums aus? Wer sich eine klare „No Covid“-Strategie wünscht, wird im Angebot der etablierten politischen Kräfte nicht fündig. Splitterparteien könnten auch diese Nische besetzen, allerdings wohl ohne realistische Chance auf einen Einzug in den Bundestag.
Als Unterstützerin von „No Covid“ positioniert hat sich etwa die paneuropäische Bewegung Volt, die in Deutschland wie in vielen Ländern Europas als nationale Partei registriert ist und zur Bundestagswahl antritt. Markenkern von Volt ist das Eintreten für ein starkes Europa, in der breiten Öffentlichkeit ist die Partei bisher unbekannt, ihre Unterstützer:innen haben früher oft die Grünen gewählt.
„Expressive voting“ nennt Niedermayer die Stimmabgabe für eine solche Partei. Es geht nicht darum, die Regierungsbildung zu beeinflussen, sondern darum, den persönlichen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen.
Gerade die Grünen könnte dieser Effekt in einem engen Rennen wertvolle Prozentpunkte kosten. Sieben Wochen sind es noch, in denen die Inzidenz womöglich rapide steigt und die Pandemie für die persönliche Wahlentscheidung wichtiger wird. Nicht auszuschließen, dass am einen oder anderen Rand den etablierten Parteien die entscheidenden Prozentpunkte doch noch abhanden kommen.
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