Kommunalwahlen in Großbritannien: Die Ohrfeige vor dem K.O.-Schlag
Sowohl Tories als auch Labour fuhren bei der Kommunalwahl am Donnerstag Niederlagen ein. Sie stehen beide vor den Trümmern ihrer Brexit-Politik. Ein Kommentar.
Die Ergebnisse der Kommunalwahl in England halten für Premierministerin Theresa May eine gute und eine schlechte Nachricht bereit: Ihre konservative Partei erlitt erhebliche Stimmverluste und dürfte, wenn alle Wahlkreise ausgezählt sind, mehr als 1000 Mandate verloren haben. Dies ist die gute Nachricht.
Im politischen System auf der Insel muss die normalerweise stets alleinregierende Partei grundsätzlich damit rechnen, dass die Wähler einen Urnengang auf lokaler Ebene als Gelegenheit zum Verdikt über die handelnden Personen in London benutzen: selten einmal als Ermutigung, meist als Denkzettel oder sogar als Ohrfeige.
Hinzu kommt, dass die Torys die weitaus größte Anzahl der diesmal zur Wahl stehenden 8400 Sitze in Stadt-, Kreis- und Gemeinderäten verteidigten, weil sie vor vier Jahren im Sog der damals gewonnenen Unterhauswahl sehr gut abgeschnitten hatten. Insofern stellen die Verluste eine Ohrfeige dar, aber keineswegs den K.O.-Schlag, wie ihn der letzte Labour-Premier Gordon Brown 2009 erlitt. Ein Jahr später verlor Brown die Unterhauswahl und sein Amt.
Mays verbleibende Amtszeit in der Downing Street, soviel steht schon heute fest, bemisst sich nicht mehr in Monaten, sondern in Wochen. Der Urnengang vom Donnerstag legt den Schluss nahe, dass jenes Drittel der Bürgerschaft, das überhaupt zur Wahl ging, sich scharf in Brexit-Gegner und -Befürworter teilt.
Erstere gaben den wiedererstarkten Liberaldemokraten oder den Grünen die Stimme, Letztere straften Torys und Labour gleichermaßen ab. Das ist die schlechte Nachricht für die Premierministerin. Sie sollte aber auch den Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn sehr nachdenklich stimmen.
Für die Europawahl lässt das Schlimmes fürchten
Denn in knapp drei Wochen wird schon wieder abgestimmt. Die ohnehin ungeliebte Europawahl haben die Briten stets als Protest verstanden. Der Effekt dürfte diesmal verstärkt auftreten. Die Torys haben den von ihnen propagierten EU-Austritt nicht zuwege gebracht, Labour kann sich nicht entscheiden.
Gewinner wird jene neue Gruppierung sein, die diesmal gar nicht antrat: Nigel Farages Brexit-Partei, die sich für den chaotischen Austritt aus dem Brüsseler Club stark macht. Auf der anderen Seite dürfte neben Liberaldemokraten und Grünen auch die neue Change UK Stimmen einheimsen, die aus desillusionierten Parlamentariern der beiden Großparteien besteht, für die Kommunalwahl aber ebenfalls keine Kandidaten aufgestellt hatte.
Vor zwei Jahren gaben 82 Prozent ihre Stimme entweder den Torys oder Labour. Diesmal waren es Schätzungen zufolge kaum mehr als 60 Prozent. Beide Parteien stehen vor den Trümmern ihrer Brexit-Politik.