Russland, Syrien und die Ukraine: Die neue Welt des Wladimir Putin
Wladimir Putin will mit seiner Syrien-Offensive im Nahen Osten Fakten schaffen - um Frieden geht es dem russischen Präsidenten dabei nicht. Ein Kommentar.
Wer Wladimir Putin verstehen will, muss genau hinhören. Zu Beginn seiner Rede vor den Vereinten Nationen erinnerte der russische Präsident an die Konferenz von Jalta, „in unserem Land, auf der Krim“. Den meisten Zuhörern wird diese Bemerkung entgangen sein. In Russland aber ist „Krym nasch“ (Die Krim gehört uns) zu einem nationalistischen Code geworden, der der Selbstvergewisserung der Putin-Unterstützer dient. Vor den UN hat Putin indirekt die Annexion der ukrainischen Halbinsel bekräftigt, einen Völkerrechtsbruch, der die europäische Nachkriegsordnung tief erschüttert hat. Und während der russische Präsident die Bedeutung der UN hervorhob, untersagten die von Moskau gelenkten Separatisten in der Ostukraine Hilfsorganisationen den Zugang.
Doch über die Ukraine redet derzeit im Westen kaum noch jemand. Der deutsche Vizekanzler ist sogar bereit, den Völkerrechtsbruch zu vergessen und Moskau weit entgegenzukommen. Russland werde gebraucht, um eine Friedenslösung für Syrien zu erreichen, heißt es nun immer wieder. Tatsächlich hat Moskau im Syrien-Konflikt gleich doppelt die Initiative ergriffen: mit dem Ausbau der Militärpräsenz und einem diplomatischen Vorstoß. Dabei stören die Europäer offenbar nur: In der Syrien-Kontaktgruppe, deren Gründung Moskau verkündete, sollen sie nicht mit am Tisch sitzen.
Putins Vision einer neuen Weltordnung
Im Nahen Osten will Putin seine Vision einer neuen, „multipolaren“ Weltordnung umsetzen, mit Syrien und dem Iran als Partner. In dieser Welt hätten Bürgerproteste keinen Platz, Diktatoren wie der von Moskau unterstützte syrische Präsident Baschar al Assad müssten nicht um ihre Macht bangen, internationales Recht und westliche Werte zählten nicht. Vor den UN argumentierte Putin, dass der Arabische Frühling zu Staatszerfall und Chaos geführt habe. Aus Putins Sicht haben dies die USA beispielsweise in Libyen mit zu verantworten. Wer sich dieser Argumentation anschließt, übersieht, wohin das Nichteingreifen in Syrien führte. Putins Verbündeter Assad verübte schwerste Kriegsverbrechen an den eigenen Bürgern, mehr als 250 000 Menschen wurden getötet, das Land liegt in Trümmern. Jahrelang sah der Westen untätig zu – bis die Flüchtlinge auch nach Europa kamen.
Zynischer Pakt mit einem Massenmörder
Es wäre ein schwerer Fehler, nun Putins Narrativ zu übernehmen, wonach es im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ nicht ohne Assad gehe. Wer die Fluchtursachen beseitigen will, sollte nicht vergessen, dass die meisten Syrer vor Assads Truppen geflohen sind. Der Massenmörder in Damaskus gehört vor den Internationalen Strafgerichtshof. Das darf nicht zur Debatte stehen, wenn der UN-Sondergesandte mit Vertretern des Regimes redet. Für echte Friedensgespräche müsste Assads Armee erst die Angriffe auf die Zivilbevölkerung stoppen. Assad davon zu überzeugen, kommt in Putins Konzept aber gar nicht vor – ein Zeichen, dass es ihm nicht um Frieden geht. Die Europäer sollten sich gut überlegen, ob sie in Putins neuer Weltordnung leben wollen – oder ob sie einen Völkerrechtsbruch beim Namen nennen und einen zynischen Pakt mit einem Massenmörder zurückweisen.