Umfrage unter Flüchtlingen: Die meisten Syrer fliehen wegen Assad
Eine Studie der Organisation "Adopt a Revolution" hat die Fluchtgründe syrischer Asylbewerber untersucht: Nicht der IS sei Hauptursache für die Flucht, sondern das Assad-Regime.
Als Haid Haid nach Syrien reiste, um seine Eltern zu besuchen, ging ihm zehn Tage lang nur eine Frage durch den Kopf: Wie kann ich überleben? Der Aktivist ist vor den Bomben geflohen, die täglich tausende Syrer dazu zwingen, ihrer Heimat zu verlassen. Gemeinsam mit der Organisation "Adopt a Revolution" hat Haid, der inzwischen in London lebt, die erste umfangreiche Befragung von geflohenen Syrern in Deutschland initiiert, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Sie gibt erstmals genauere Einblicke über die Fluchtgründe und die Zukunftsperspektiven der syrischen Flüchtlinge.
Dass 68,6 Prozent der knapp 900 Befragten als Fluchtursache unmittelbare Lebensgefahr angaben, ist in Anbetracht des herrschenden Bürgerkriegs nicht überraschend. Ökonomische Gründe liegen mit 13,3 Prozent auf dem zweiten Platz. Das Ziel, einen europäischen Pass zu erhalten, verfolgten laut der Studie weniger als ein Prozent. Die meisten von ihnen wollen so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren.
Knapp 70 Prozent der Befragten ordnen eindeutig dem Regime von Bashar al-Assad die Schuld für die Lebensgefahr zu. Den Islamischen Staat (IS) nannten nur 31,6 Prozent an erster Stelle. "Assad ist das eigentliche Zentrum", sagte Elias Perabo, Initiator des Projekts "Adopt a Revolution". Die Fassbomben, mit denen Assad die Bevölkerung bombardiere, seien der Hauptgrund, warum Syrer das Land verlassen, betonte Haid bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Der Kampf gegen den IS allein löse das Problem in Syrien nicht. Vielmehr müsse Assad entmachtet werden, sagte Haid als Sprecher der Kampagnen "Planet Syria" und "The Syria Campaign", die sich für nicht-militärische Lösungen starkmachen.
Weniger als zehn Prozent wollen in Deutschland bleiben
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Der Großteil der Syrer möchte in ihr Heimatland zurückkehren. Als Voraussetzung nannten sie unter anderem ein Ende des Krieges (67,8 Prozent), ein Syrien ohne Assad (51,5 Prozent) und freie Wahlen (41,7 Prozent). Nur 8,4 Prozent wollen dauerhaft in Deutschland bleiben. Für die Mehrheit (57,9 Prozent) ist eine Flugverbotszone das wirksamste Mittel, weitere Vertreibung zu reduzieren.
Die hohen Flüchtlingszahlen seien auf die zunehmend schwierige Lage in Syriens Nachbarländern zurückzuführen sowie auf die unzureichende internationale Hilfe. Die russische Intervention verschärfe sie Situation zusätzlich, sagte Haid. "Die russischen Bomben zerstören ganze Gebiete."
Die Studie wurde von der Organisation "Adopt a Revolution" durchgeführt, welche die zivilgesellschaftliche Opposition in Syrien unterstützt. Sie sei aus Spenden finanziert und vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) begleitet worden, sagte Perabo. Die Forscher haben 889 syrische Flüchtlinge in zwölf Erstaufnahmelagern, Flüchtlingsheimen und Registrierungsstellen in Berlin, Hannover, Bremen, Leipzig und Eisenhüttenstadt befragt. Der Zeitraum erstreckte sich vom 24. September bis zum 2. Oktober dieses Jahres. Es handle sich zwar nicht um eine repräsentative Studie, doch seien die Ergebnisse so eindeutig, dass durchaus "klare Tendenzen" erfasst werden konnten, sagte Heiko Giebler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des WZB.
Josefa Raschendorfer