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Christian Lindner beim (mutmaßlich honorarfreien) politischen Aschermittwoch der FDP in Dingolfing.
© Nicolas Armer/dpa

Der FDP-Chef und sein Nebenverdienst: Die lukrativen Reden des Christian Lindner

Auch im neuen Jahr verdient der FDP-Fraktionschef mit Vorträgen hinzu, die sich offenbar wenig von seinen üblichen Parteireden unterscheiden.

Eines kann man Christian Lindner nicht vorwerfen: Dass der FDP-Fraktionsvorsitzende seiner Pflicht zur Veröffentlichung von Nebentätigkeiten als Mitglied des Bundestags nicht unverzüglich nachkommt. Nachdem schon bekannt ist, dass er in den Wochen zwischen Bundestags-Konstituierung und Weihnachten bei Rednerauftritten und Vorträgen mindestens 38.500 Euro kassierte, hat er nun seine Zusatzverdienste für Januar gemeldet. Laut dem Eintrag auf der Bundestags-Website hat er im neuen Jahr bei zwei Veranstaltungen, bei denen er als Hauptredner im Mittelpunkt stand, zwischen 14.000 und 30.000 Euro eingenommen. Insgesamt hat Lindner seit dem Zusammentreten des Parlaments im Oktober damit bei neun Auftritten zwischen 52.500 Euro und 111.000 Euro eingenommen. Genaueres lässt sich nicht sagen, weil die Einkünfte nicht exakt, sondern nur in Spannen angegeben werden müssen. Einige Auftritte fanden in der Phase der Jamaika-Verhandlungen statt, die Lindner am Ende platzen ließ. Sein Sprecher erklärte die Nebenverdienste der „Bild“-Zeitung so: „Wenn ein Unternehmen gewinnorientiert ist, ist ein Honorar üblich und angemessen.“

Ein bezahlter Auftritt im Januar war ein abendlicher „Mittelstandsevent“ im Gewerbepark Süd in Hilden, den die Steuerberatungsfirma Kaib, Galldiks und Partner aus Remscheid zusammen mit der Kommunikationsagentur Lohmann and Friends und der Volksbank im Bergischen Land am 25. Januar. Also in der Gegend, in der Lindner auch seinen Wahlkreis und damit seine politische Basis hat. Laut Lokalpresse waren 150 Gäste anwesend, und Lindner begann seinen Vortrag demnach mit einer humorigen Bemerkung: „Wäre ich Bundesfinanzminister geworden, hätte ich ja den heutigen Termin absagen müssen – und das wollte ich nicht.“ In der Tat dürfen Mitglieder des Bundeskabinetts keine Honorare für Reden annehmen. Wohl aber Mitglieder des Bundestags, die nicht ins Kabinett wollen. Solche Nebenverdienste sind nach dem Abgeordnetengesetz und nach den Verhaltensregeln des Bundestags erlaubt, wenn sie nicht in Ausübung des Mandats erfolgen und wenn der Geldgeber das Honorar nicht ohne eine "angemessene Gegenleistung" des Abgeordneten gewährt.

Steuern, Soli, Freibeträge

Lindner, der sich auf der Bundestags-Webseite als Politikwissenschaftler bezeichnet, sprach über das Thema „Erneuerung der Mitte – Deutschland im Wandel“. Dazu gehörten nach einem Bericht in der Online-Ausgabe der "Rheinischen Post" auch übliche FDP-Forderungen wie Steuersenkung, Abschaffung des Solidaritätszuschlags, Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer und die Überwindung des Bildungsföderalismus. So hat man das auch im Wahlkampf gehört und danach. Auf der Webseite von Lohmann and Friends wird das Ereignis so beschrieben: „Ob Eigenverantwortung, unternehmerisches Handeln, intelligente Einwanderungspolitik, Steuern, Europa, Forschung und Digitalisierung, Bildungs- und Gesundheitswesen oder Jamaika – Christian Lindner spielte die komplette FDP-Klaviatur mit deutlicher Lindner‘scher Lead-Note: klar, stringent, pointiert und fordernd.“ Zum Vortrag gehörten demnach auch „gut dosierte und noch besser formulierte Spitzen gegen die politische Konkurrenz“. Danach nahm sich Lindner, so Lohmann and Friends, einige Zeit für die Gäste, die Zahl der Selfies mit ihm wird auf 50 geschätzt. Das Honorar für diesen selbstlosen Auftritt, den Lindner als „Vortrag“ bezeichnet: Stufe 3 nach den Bundestagsregeln, also mehr als 7000 Euro, aber weniger als 15.000 Euro.

"Die FDP unter den Versicherungen"

In diese Preiskategorie fällt auch sein zweiter bezahlter Auftritt im Januar. Vermittelt wurde er als Redner von der Firma Premium Speakers Deutschland GmbH, die Lindner auf ihrer Webseite ausdrücklich als Mitglied des Deutschen Bundestages anbietet. Die Agentur zahlte nach Lindners Angaben an den Bundestag auch das Honorar im vier- bis fünfstelligen Bereich. Laut Agentur-Webseite referiert Lindner über Politik, Finanzen und Wirtschaft, Globalisierung und Leadership. Gebucht hatte ihn die Bayerische Beamten Lebensversicherung (Slogan: "Versichert nach dem Reinheitsgebot“). Dort sprach Lindner am 25. Januar nachmittags beim „Start Campus“ im Rahmen der Festveranstaltung zum 160-jährigen Bestehen des Unternehmens. Laut Pressemitteilung bezeichnete Lindner die Bayerische als „FDP unter den Versicherungen“ und lobte ihre Kreativität. „Die Bayerische holt die Menschen beim eigentlich trockenen Thema Vorsorge ab, indem sie an die Rabatt- und Cashback-Mentalität appelliert. Das finde ich sehr innovativ.“ Er betonte demnach die Notwendigkeit, die private Vorsorge zu stärken und nicht allein auf die gesetzliche Rente zu setzen. Auch sprach er über sein aktuelles Kernthema, die Digitalisierung.

Insgesamt ist Lindner bei mindestens drei Redneragenturen unter Vertrag oder wird von ihnen vermittelt – neben der Berliner Premium Speakers ist es die Frankfurter Agentur Podium Redner & Konzepte (beide werben auch mit Lindner) und dem Karlsruher London Speaker Bureau. Diese Agentur hat ihn seit Oktober 2017 für vier Auftritte vermittelt. Bei solchen Agenturen sind neben professionellen Rednern, Moderatoren, Kabarettisten immer wieder auch ehemalige Politiker engagiert, wie Joschka Fischer, Wolfgang Bosbach, Theo Waigel oder Wolfgang Clement, selten aber aktive Politiker. Beim London Speakers Bureau werden Gregor Gysi von den Linken und der Europapolitiker Sven Giegold von den Grünen geführt. Giegold sagt, er sei dort schon vor seiner Zeit als Politiker gelistet gewesen. Er nehme keine Honorare bei seinen "wenigen Auftritten", sondern bitte die Veranstalter, das Geld zu spenden.

Albert Funk

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