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Zwei Gewaltherrscher, beide Empfänger deutscher Rüstungshilfe: Ägyptens Abdulah Fattah al-Sisi (rechts) und Saudi-Arabiens Thronfolger und de-facto-Machthaber Mohammed bin-Salman.
© Ägyptische Präsidentschaft/picture alliance-dpa

Last-Minute-Waffendeals in Milliardenhöhe: Die Linke zweifelt an Entschlossenheit von SPD und Grünen bei der Rüstungskontrolle

Wie jetzt bekannt wird, hat die alte Bundesregierung einen Rekord bei den Rüstungsexporten aufgestellt. Die Ampel verspricht schärfere Regeln.

Nach dem Bekanntwerden eines Rekords deutscher Rüstungsexportgenehmigungen hat die neue Bundesregierung bekräftigt, dass sie die Regeln für die Rüstungsausfuhr außerhalb von EU und Nato verschärfen werde.

Durch eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag war am ersten Weihnachtsfeiertag öffentlich geworden, dass die Exporte von Waffen und anderen Rüstungsgütern vom 1. Januar bis zum 14. Dezember sich auf einen Wert von knapp 9,043 Milliarden Euro beliefen. Das teilte das Bundeswirtschaftsministeriums der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen mit.

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Die letzte Rekordzahl stammt aus dem Jahr 2019 – damals lag der Wert aber eine gute Milliarde Euro niedriger (8,015 Milliarden).

Mehr als die Hälfte, nämlich Exporte im Wert von fast fünf Milliarden, wurden praktisch in letzter Minute, in wenigen Tagen vor dem Ende der schwarz-roten Bundesregierung seit Anfang Dezember erlaubt. Der jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz war zuvor Vizekanzler in der „Groko“.

Spitzenabnehmerland ist Ägypten

Genehmigungen im Umfang von gut vier Milliarden Euro entfielen laut Bundesregierung 2021 auf Kriegswaffen, die übrigen gut fünf Milliarden Euro auf „sonstige Rüstungsgüter“. Der Wert genehmigter Kriegswaffen hat sich damit vervielfacht.

Allein für den Export nach Ägypten wurden Genehmigungen über gut 4,339 Milliarden Euro ausgestellt – es ist damit das mit weitem Abstand größte Zielland deutscher Rüstungsexporte.

Für EU-Länder wurden 1,6 Milliarden Euro ausgewiesen, für Nato-Mitglieder und dem Bündnis gleichgestellte Staaten 1,5 Milliarden Euro. Ägypten, das sich im kurzen arabischen Frühling der jahrzehntelanges Mubarak-Regimes entledigen konnte, wird seit dem Militärputsch von General al-Sisi 2013 mit noch größerer Brutalität regiert. Folter und politische Haft sind Alltag und nehmen auch europäische Bürger nicht aus.

Schlagzeilen, jedenfalls in seiner Heimat, machte Anfang 2016 der Mord am italienischen Forscher Giulio Regeni. Der 28-Jährige wurde vor knapp sechs Jahren brutal zu Tode gefoltert. Die italienische Justiz identifizierte Angehörige das Staatsapparats als Täter, trotz fortgesetzter Versuche des Regimes, die Spuren zu verwischen - was weitere Menschenleben kostete.

Dennoch verlieh Frankreichs Präsident Macron al-Sisi den höchsten Orden des Landes, deutsche Wirtschaftsminister reisten nach Kairo und rühmten den Diktator als „beeindruckend“ (Sigmar Gabriel, SPD)“ oder als Stabilitätsanker (Gabriels Nachfolger Peter Altmaier, CDU).

Ägypten ist auch in die Kriege im Jemen und in Libyen verwickelt. Die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem damaligen Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) genehmigte dennoch kurz vor der Amtsübergabe am 8. Dezember den Verkauf von drei Kriegsschiffen und 16 Luftabwehrsystemen an Kairos Militärherrscher.

Die Ampel will ein Gesetz statt bloßer Richtlinien

Sevim Dagdelen, Obfrau der Linken im Auswärtigen Ausschuss und Rüstungsexpertin der Fraktion, attestierte der Groko „ein wahres Gaunerstück“. Eine nur noch geschäftsführende Regierung habe diesen Waffenexportrekord eingefahren und damit „eindrücklich demonstriert, wie folgenlos die Kritik der SPD an skrupellosen Waffenexporten gerade an Diktaturen und autoritären Regime letztlich bleibt“. Dies werde auch „für die neue Ampelregierung unter Scholz (...) eine schwere Hypothek.“

Die neue Koalition von SPD, Grünen und FDP hat allerdings versprochen, Rüstungsexporte in sogenannte Drittstaaten, also Länder außerhalb von EU und Nato, einzudämmen. Um das besser kontrollieren zu können, soll es ein Gesetz über Rüstungsexporte geben. Bisher gibt es nur politische Richtlinien dafür.

Außenministerin Annalena Baerbock bekräftigte diese Absicht nach dem Bekanntwerden der Genehmigungen in den letzten Tagen der schwarz-roten-Koalition: „Wir haben als Koalition deutlich gemacht, dass wir die Rüstungsexportpolitik der vergangenen Jahre auf den Prüfstand stellen“, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.

Und weiter: „Deswegen arbeiten wir an einem Rüstungsexportkontrollgesetz, das deutlicher macht, nach welchen Kriterien Rüstungsexporte genehmigt werden.“

Zuständig für das Thema ist bisher das Wirtschaftsministerium, inzwischen ebenfalls unter Grünen-Führung: Minister ist Vizekanzler Robert Habeck. Baerbock wies darauf hin, dass Rüstungsexporte nicht rein wirtschaftlich betrachtet werden könnten.

„Es ist auch eine Frage der Außenpolitik, von Menschenrechten, von internationalen Beziehungen.“ Baerbock will sich auch auf europäischer Ebene auf eine gemeinsame Rüstungsexportkontrolle einsetzen. Das sei aber „ein dickes Brett“, ergänzte sie.

Zwei Glaubwürdigkeitslücken

Die Linken-Politikerin Dagdelen zweifelt allerdings an der Entschlossenheit auch der Grünen in Sachen Rüstungsexportkontrolle. Auf Anfrage des Tagesspiegels erinnerte sie an Baerbocks Aussagen zwei Wochen, bevor sie das Auswärtige Amt übernahm.

„Die Kritik von Annalena Baerbock an Waffenexporten wäre sicherlich glaubwürdiger, wenn sie nicht zugleich mehr Kampfeinsätze der Bundeswehr und höhere Militärausgaben fordern würde. Das angekündigte Rüstungsexportkontrollgesetz der Ampel lässt vor diesem Hintergrund nichts Gutes erwarten.“

Dagdelen erwartet auch eine weitere Glaubwürdigkeitslücke der neuen deutschen Regierung, deren zweitgrößte Komponente, die Grünen, eine wertegeleitete Außenpolitik versprochen hat: „Wer derart skrupellos Kriegswaffen an Diktatoren und autoritäre Regime liefert“, sagte Dagdelen, „verwirkt jedes Recht auf Kritik an Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern.“

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