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Die von vier Terroristen gekaperte Lufthansa-Boeing 737 "Landshut" am 14. Oktober 1977 auf dem Flugplatz von Dubai.
© picture-alliance / dpa

Flugzeug der Geiselnahme von 1977: Die „Landshut“ soll in Tempelhof landen

Geiseln des Entführungsdramas von 1977 klagen darüber, dass die Bundesregierung keinen Platz für die „Landshut“ findet. Auch Sigmar Gabriel macht Druck.

Gabriele von Lutzau weiß noch genau, wie wahnsinnig heiß die Triebwerke wurden, wegen des Sandes. Hält die „Landshut“ durch? Eigentlich war Flug LH 181 von Mallorca nach Frankfurt für die 23 Jahre alte Stewardess Routine, doch an Bord waren an jenem 13. Oktober 1977 auch vier palästinensische Terroristen. Sie entführten die Landshut.

Es ging über Italien, Zypern, Dubai und Jemen nach Somalia. Mit eisernen Nerven beruhigte von Lutzau die Passagiere, vermittelte mit den Kidnappern und wurde zum „Engel von Mogadischu“. Heute ist sie Künstlerin und nach Berlin gereist. Ihr platzt wegen des aktuellen Gezerres um die „Landshut“ fast der Kragen.

Die Erinnerungen der Stewardess an den Irrflug sind noch sehr lebendig. Der Anführer des Kommandos hatte bei einem Stopp in Aden Kapitän Jürgen Schumann erschossen. Co-Pilot Jürgen Vietor flog die „Landshut“ weiter nach Mogadischu, dort stürmte die GSG-9 die Maschine, alle Geiseln überlebten, drei Terroristen starben.

Im „Deutschen Herbst“ hatte das Kommando die RAF-Mitglieder um Andreas Baader und Gudrun Ensslin im Gefängnis Stuttgart-Stammheim freipressen wollen. Doch gewartet werden konnte die Maschine nicht mehr, wegen des Sandes in den Turbinen wurde auch der Rückflug nach Frankfurt zum Vabanque-Spiel.

Lutzau ist sauer auf die Bundesregierung. Die schaffe es nicht, ihr Verspreche umzusetzen, die „Landshut“ als begehbares Museum, als Zeitzeugnis des Deutschen Herbstes auszustellen. „Für mich ist die ,Landshut’ auch eine Geisel gewesen.“ Ein Teil ihrer Geschichte sei seither auch ein Teil der deutschen Geschichte. Heute dämmert die „Landshut“ in Friedrichshafen vor sich hin, Lutzau will sie nach Berlin-Tempelhof holen.

Zuletzt war die „Landshut“ Transportflieger in Brasilien

Rückblick. Februar 2017: Die „Landshut“ steht in trostlosem Zustand auf einem Flugzeug-Friedhof in Fortaleza in Brasilien. Die Außenhaut ist verwittert, die Kabine ohne Sitze, die Fenster zugeklebt und die Reifen platt. Die Boeing 737 war nach mehreren Eigentümerwechseln zuletzt in Brasilien als Transportflieger unterwegs. Neun Jahre lang stand sie danach flugunfähig am Boden. „Es gibt Gerüchte, die deutsche Regierung versucht das Flugzeug zu kaufen“, sagt damals Geraldo de França Júnior von der Flughafenfeuerwehr in Fortaleza.

Erst interessiert sich eine Delegation des Bundeskriminalamtes für einzelne Teile wie Türen oder Leitwerk, um damit in der Heimat die Erinnerung an den Einsatz der Spezialeinheit GSG 9 aufrechtzuerhalten. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) bekommt Wind davon. Das ganze Flugzeug wird gekauft, es soll in das Dornier-Museum Friedrichshafen. Auch von Lutzau reist nach Brasilien. Es sei für sie „ein wahnsinniger emotionaler Moment“ gewesen, als sie das Wrack sah. Experten der Lufthansa Technik zerlegten es, am 23. September 2017 landeten zwei Antonow-Maschinen in Friedrichshafen, riesiger Jubel, die „Landshut“ ist zurück.

Rund zwei Millionen Euro soll die Aktion gekostet haben. Die Maschine sollte wieder im früheren Lufthansa-Design erstrahlen, um als begehbares Flugzeug im Dornier-Museum die dramatische Geiselbefreiung erlebbar zu machen. Doch daraus ist nichts geworden. Eine Ausstellung im Dornier-Museum komme nicht in Betracht, da „die Dornier-Stiftung zwischenzeitlich erklärt hat, dass der Fortbestand des Museums über das Jahr 2025 hinaus nicht gesichert ist“, teilt das Büro von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) mit. So liegt die „Landshut“ weiter zerlegt in einem Hangar.

Wie von Lutzau macht sich auch Gabriel für eine ganz neue Option stark. „Das wäre eine sehr gute Idee“, sagt er dem Tagesspiegel zum Vorschlag, dass die „Landshut“ im früheren Flughafen Berlin-Tempelhof eine neue Heimat finden soll. Zumal dorthin auch bis 2026 das Alliiertenmuseum umziehen soll, das an Luftbrücke und Rosinenbomber erinnert.

Er sieht das damalige Votum für Friedrichshafen nicht als Fehler. Alle anderen - bis auf einen Flugplatzbetreiber in Flensburg - hätten ja abgesagt. „Ich war damals für das bereits existierende Ausstellungsgelände in München am Flughafen. Aber auch dort gab es - nach anfänglichem Interesse - eine Absage. Man befürchte ein Negativimage.“ Dort könnte die „Landshut“ ein Publikumsmagnet werden. Grütters lässt mitteilen, auch Tempelhof komme eher nicht in Frage, „da immenser Sanierungsbedarf besteht, der zunächst durch das Land Berlin zu erledigen wäre.“

Klagen über das Agieren der Kulturstaatsministerin

Martin Rupps, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat „Landshut“, betont, Grütters zeige kaum Interesse an dem Projekt. So gebe es stattdessen den Plan, die „Landshut“ in das militärhistorische Museum der Bundeswehr am Flugplatz Berlin-Gatow zu integrieren. Doch zum einen sei das weit weg vom Zentrum und werde kaum Besucher anlocken, zum anderen gehe es hier um ein Zivilflugzeug, sagt Rupps. „Mir wäre eine Außenstelle des Hauses der Geschichte nahe der JVA Stuttgart-Stammheim am liebsten.“ Aber er kann sich auch mit Tempelhof anfreunden.

Der FDP-Abgeordnete Till Mansmann kämpft mit von Lutzau für eine Austellung in Tempelhof. Er kritisiert nicht nur Grütters, sondern auch das Auswärtige Amt. Beide arbeiteten „nicht zusammen, sondern versuchen immer wieder, den Ball ins Feld des anderen zu werfen und sich so für unzuständig zu erklären“.

Die früheren Geiseln haben am 3. Februar einen Protestbrief an Kanzlerin Angela Merkel und Grütters (beide CDU) geschickt, in dem sie sich beklagen, dass das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel eines Erinnerungsortes an den „Deutschen Herbst“ nicht umgesetzt werde. Das sei die bislang größte terroristische Herausforderung in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen. Zudem könne hier die Bedrohung durch Terroristen bis in die jüngste Gegenwart anschaulich gemacht werden, heißt es in dem Schreiben. Stattdessen habe Grütters verfügt, den Beirat nicht mehr einzuberufen, „bis es in der Angelegenheit Neues gibt – was einer Entmachtung des Gremiums gleichkommt“. Der ganze Stillstand sei für die Geiseln und die GSG-9-Beamten unbegreiflich, sie hätten „ in einer dramatischen Oktober-Nacht 1977 unschuldige Frauen und Männer aus einem fliegenden Sarg befreit“.

Lutzau hofft, dass jetzt etwas in Bewegung kommt. „Für mich ist die Landshut ein besonderes Ding. Ich möchte, dass sie einen Platz in der Öffentlichkeit bekommt.“ Geht es nach der Ex-Stewardess, im geschichtsträchtigen früheren Flughafen Tempelhof.

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