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Viele Deutsche sind der Studie zufolge mit dem Einkommen zufrieden.
© Patrick Pleul dpa

Einkommen in Deutschland: Die Lage ist besser, als Studien nahelegen

Die Ungleichheit zwischen „Arm“ und „Reich“ – so groß wie nie! Das war die Schlagzeile, ist aber nur die halbe Wahrheit. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ursula Weidenfeld

Die Deutschen sind mit ihrem Einkommen so zufrieden wie seit 20 Jahren nicht. Auf die Idee, dieses Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu feiern, kam in der vergangenen Woche allerdings kaum jemand. Die gute Nachricht wurde versenkt.

Stattdessen wurde das schauerliche Lied vom gesellschaftlichen Verfall angestimmt. Denn die Untersuchung ergab auch: Die Ungleichheit steigt auf ein bisher nicht gekanntes Maß, das Armutsrisiko bei jüngeren Erwachsenen ist gewachsen, in Großstadtregionen drücken die Wohnkosten den Wohlstand.

Eine wissenschaftliche Arbeit, und zwei Arten, sie zu lesen: Ist tatsächlich das umfassende Versagen der Sozial- und Finanzpolitik zu beklagen, die zuschaut, wie sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet? Wahrscheinlich nicht. Dass die Ungleichheit gewachsen ist, liegt vor allem an der Zuwanderung, berichten die Autoren. Deutschland hat zwischen 2007 und 2017, den beiden Bezugspunkten der Studie, mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen.

Die meisten dieser Migranten sprechen kein Deutsch, haben keine gute Ausbildung und können nur selten auf Netzwerke zurückgreifen, die sie auf besser bezahlte Arbeitsstellen hinweisen. Sie müssen sich auf dem Arbeitsmarkt hinten anstellen. Es ist völlig normal, dass in demografischen Ausnahmesituationen die Ungleichheit wächst. Wer möchte, dass die Flüchtlinge hier bleiben und sich integrieren können, darf sich darüber nicht beschweren.

Für die meisten anderen Menschen hat sich die Lebenssituation in den vergangenen Jahren aufgehellt. Sie sind zufriedener denn je. Das muss man anerkennen (man kann sich auch darüber freuen), bevor man die tatsächlichen Probleme anschaut. Die sind: zu wenig und zu teurer Wohnraum in den Städten, zu wenig Qualifikations- und Aufstiegschancen aus dem Niedriglohnbereich, zu wenig Ermutigung für Kinder aus bildungsfernen Familien – und im oberen Einkommensbereich zu viele Möglichkeiten, sich den steuerlichen Verpflichtungen zu entziehen.

Auch das sind keine Kleinigkeiten. Aber sie lassen sich ändern. Wer immer gleich den Weltuntergang ausruft, nimmt die echten Herausforderungen gar nicht erst an.

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