SPD-Kanzlerkandidat: Die kraftvolle Ansage von Martin Schulz
Martin Schulz bringt Brüche, Niederlagen und Erfolg mit: Ein gelebtes Leben - und eine Erzählung. Er hat gezeigt, dass Demokratie lebt, hat Regierungschefs die Stirn geboten und Neonazis aus dem Parlament geworfen. Ein Kommentar.
Hat er nicht recht? Die endlosen Streitereien, die Demütigungen der Bundeskanzlerin, der Intrigantenstadl CSU – manchmal wünschte man sich, es möge enden. Weil es nicht zu Deutschlands Bestem ist. Weil es dem Ansehen der Politik insgesamt schadet. Weil es, mehr noch, Wähler abschreckt. Oder sie dazu bringt, eine Alternative zu suchen. Die falsche. Vielleicht braucht es tatsächlich einen von außen, aus Europa, einen Martin Schulz, um das Land aufzurütteln.
Die Antrittsrede des SPD-Spitzenkandidaten war zu lang, aber sie war zugleich eine kraftvolle Ansage an die, die asymmetrische Demobilisierung einer Auseinandersetzung um Themen und ihre Lösungen vorziehen. Dieser Kandidat will aber nun gerade mobilisieren, und zwar mit dem, was diese Gesellschaft nur zu gern ausblenden würde. Nach außen hin scheint doch alles in Ordnung zu sein, erscheint Deutschland im Vergleich als Musterland. Nach innen aber fehlt es wirklich und wahrhaftig an Gerechtigkeit. Das sagt nicht Schulz allein, das sagen die Statistiken.
Von der Steuer- zur Chancengerechtigkeit: Werden die Reichen immer reicher und die Armen ärmer, gelingt der gesellschaftliche Ausgleich immer weniger. Hier ist ein Angriffspunkt. Schulz hat ihn sich ausgesucht, und das ist gut für die SPD. Denn nicht nur, dass sie darin authentisch ist – ihr Kandidat ist es auch. Er ist ein Mann aus der Mitte der Gesellschaft, ein Bürgermeister, und das ist nicht das Schlechteste, was sich in einem Land der Bürger sagen lässt. Die suchen ihre Chancen – und einen, der ihre Anliegen mit Empathie begleitet, der mitfühlen kann und das auch dokumentiert. Seine Rede war der erste Nachweis.
Die Bürger wollen respektiert und repräsentiert werden
Dass Schulz von Innenpolitik nichts verstehe – gefährlich überheblich, der darauf baut. Dass er aus kleinen Verhältnissen und aus einer kleinen Stadt stamme – gefährlich abgehoben, der das sagt. Denn so ist das Land, so sind die Leute. So ist die Mehrheit. Sie will respektiert und repräsentiert werden. Sie will sich wiederfinden in den Kandidaten. Schulz hat ein gelebtes Leben, mit Brüchen, mit Niederlagen und einem staunenswerten Erfolg. Er hatte eine zweite Chance, und er hat sie genutzt. Dieser Kandidat bringt den Wählern etwas mit: eine Erzählung.
Schulz kann Haltung zeigen und klare Kante
Gefährlich ist er für die Bundeskanzlerin nicht, weil er gut reden kann. Gefährlich ist er auch nicht, weil er große Versprechungen macht. Was er nicht tut. Sondern weil er Haltung beweist und klare Kante nicht scheut. Schulz hat Regierungschefs die Stirn geboten und Neonazis aus dem Parlament geworfen. Er hat gezeigt, dass er Demokratie lebt, von unten nach oben.
Das Regieren von oben nach unten, das lange Warten und Spät-Entscheiden, ohne das zu erklären, ist die Methode Merkel. Wie zuletzt an der Flüchtlingspolitik zu sehen, birgt sie Gefahren. Merkels Demonstration von Vernunft, jahrelang ihre Stärke, wird zur Imagination. Das Führen aus der Distanz schafft aber nicht Nähe, sondern Respekt. Wird die Distanz zu groß, wird auch der Respekt geringer. Darin liegt die Chance von Schulz.
Dieser Kandidat kann sich selber führen, wie sein Leben zeigt. Er kann Nähe schaffen. Er kann Pathos. Es wird ein Wahljahr, in dem es darum geht, ob autoritäre Populisten und Nationalisten den Kurs vorgeben, hier und in Europa. Vielleicht ist Martin Schulz da die gesuchte alternative Kraft. Jedenfalls ist er das für die SPD.