Deutsch-französischer Plan zur Seenotrettung: Die Koalition der Willigen ist knallhart
Macron, Seehofer und die Koalition der Willigen streben vor allem eine restriktivere Migrationspolitik an. Ein Kommentar.
Falsche Erwartungen führen nur zu Enttäuschungen. So wird es wohl auch mit der Hoffnung auf die „Koalition der Willigen“ zur Verteilung der im Mittelmeer geretteten Migranten gehen. Die Seenotretter und ihre Unterstützer schildern die jüngste Entwicklung so, als fänden unter dem beschämenden Eindruck der Bootskatastrophen mit vielen Toten immer mehr EU-Länder zusammen, die sagen: Wir nehmen auf, auch wenn Italien seine Häfen nicht öffnet und wenn nicht alle 28 Staaten bei der Verteilung von Migranten mitmachen.
Innenminister Horst Seehofer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nähren die Hoffnung nach der jüngsten Konferenz in Paris. Sie sagen, inzwischen unterstützten acht Länder den deutsch-französischen Plan; sechs weitere seien interessiert; beim nächsten Treffen in Malta im September komme wohl die Einigung.
Was genau in dem Plan steht, sagen sie nicht. Das ist verständlich, die Details werden ja noch verhandelt, um mehr Länder zum Mitmachen zu bewegen. Doch wer Macron und Seehofer zuhört und ihre Pressemitteilungen liest, müsste wissen, dass es nicht allein um Rettung und Verteilung Schiffbrüchiger geht, sondern auch um eine Reduzierung der Flucht nach Europa. Warum spielt das kaum eine Rolle in der deutschen Debatte? Warum wird oft nur verbreitet: Aus Seenot Gerettete sollen in einen europäischen Hafen gebracht und in der EU verteilt werden?
In Wahrheit will die Koalition der Willigen das Sterben im Mittelmeer beenden, ohne mehr Migranten nach Europa zu holen. Wer von Ertrinken bedroht ist, soll gerettet werden. Und in einen sicheren Hafen gelangen. Aber das muss nicht unbedingt ein europäischer Hafen sein. Denn das würde aus Sicht der Willigen den „Pull“-Faktor erhöhen, also mehr Migranten anlocken.
Es ist unwürdig, dass Rettungsschiffe wochenlang vor Lampedusa auf eine Genehmigung zum Einlaufen warten. Da sind sich die Willigen einig. Sie wollen andere Häfen öffnen. Aber nicht französische oder spanische als neuen Regelfall. Macron will doch nicht Frankreich zum neuen Italien machen. Rettungsschiffe sollen auch nordafrikanische Häfen anlaufen, vielleicht gar überwiegend. Auch so kann man Schlepper bekämpfen.
Wer zahlt noch tausende Euro für die Überfahrt, wenn die Wahrscheinlichkeit steigt, bald zurück in Afrika zu sein? Überhaupt soll die Rückführung derer, die keinen Anspruch auf Asyl in Europa haben, verstärkt und beschleunigt werden. Und generell will kein Land zur neuen Fluchtroute werden, ob in Afrika oder Europa .
Je mehr Willige sich der Koalition anschließen, desto weiter verschiebt sich der Plan vom Retten, Aufnehmen und Verteilen zur Bekämpfung der Schlepper, Reduzierung der Pull-Faktoren und Rückführung nach Afrika. Denn die EU- Länder, die zögern, streben keine weichere, sondern eine restriktivere Migrationspolitik an. „Wir – und auch die NGO’s – müssen darauf achten, dass wir mit unseren Maßnahmen keine neuen Anreize für illegale Migration über das Mittelmeer schaffen“, schreibt Seehofers Ministerium. „Wer aus Seenot vor dem Ertrinken gerettet wird, kann nicht auf Dauer davon ausgehen, dass er nach Europa kommt.“ Das ist der Plan der Willigen.