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Papst Franziskus betet in Irland in einer Kapelle, die dem Gedenken an von Priestern missbrauchten Minderjährigen gewidmet ist - aber das reicht nicht.
© Paul Haring/CNS photo/KNA

Skandal um sexuellen Missbrauch: Die Katholische Kirche schaut in den Abgrund

Es geht an die Existenz: Wann lässt der Papst seinen Worten endlich Taten folgen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

In Zeiten, in denen das Christliche so stark unter Druck gerät, in denen über den rechten Glauben debattiert wird, in denen der Islam auch deshalb eine Herausforderung ist, weil seine Anhänger zum Teil wirklich glühend gläubig sind – in diesen Zeiten also kommen monströse Verirrungen der katholischen Kirche ans Licht. Fast Tag um Tag ist das so.

Peinigende Nachrichten sind es, und je mehr es werden, umso größer wird der Abgrund, in den nicht nur diese Kirche, die katholische, schaut. Wo überall Priester junge Menschen sexuell bedrängt haben, in Australien, Chile, in den USA, in Irland – da ist kein Halten mehr. Und dann diese grauenvollen Berichte über das Treiben der Schwestern, die in Irland Heime für „gefallene“ Frauen führten. Tausende Kinder, Neugeborene, sollen lieblos, achtlos verscharrt worden sein, in Schuhkartons und Lumpen; Kinder, die ihren ungewollt schwangeren Müttern genommen wurden.

Wenn jetzt alle oder immer mehr in immer mehr Ländern offen reden – was das bedeutet für eine Institution, die sich selbst die höhere Moral zuschreibt, ist kaum auszudenken. Und viel spricht dafür, dass die Dunkelziffer (in diesem Fall ein passendes, düsteres Wort) enorm hoch ist.

Der Aufschrei der Empörung wird noch lauter werden

Nicht nur in Irland wird Aufklärung verlangt. Und nicht nur darüber. Ein Aufschrei der Empörung – er wird noch laut werden. Er muss es auch. Denn auch wenn die katholische Kirche eine große Tradition der Intriganz hat: Es ist nicht nur eine Intrige gegen den amtierenden Papst, den Jesuiten Franziskus, weil der das Unrecht zu benennen scheint. Scheint deshalb, weil bisher nichts Grundstürzendes geschieht. Ob Chile oder USA, den großen Worten folgen keine großen Taten. Das wirkt, mit Verlaub, wirklich so, als ob ein Soldat Gottes die Gräben des Grauens nur schnell zuschütten will.

Aber damit wird der Papst nicht durchkommen. Mag der frühere Nuntius in Washington einer seiner Gegner sein – was, wenn er recht hat, dass Franziskus wusste, was auch der Chefkatholik in den USA auf dem Kerbholz hat? Wenn der Papst das geduldet und ihn sogar in seiner „Regierung“, im Kardinalsgremium K 9, belassen hat? Dann muss er zurücktreten. Oder er wird zurückgetreten werden. Im Fall Australien war es ja ähnlich. Das sieht aus wie ein Muster.

Das Misstrauen wird sich nicht begrenzen lassen

Es wäre zu wenig, viel zu wenig, wenn der Papst bei allen seinen Worten eigentlich nur fürchtet, dass die möglichen Schadenersatzforderungen die katholische Kirche mit all ihren Werken finanziell ruinieren könnten. Tatsache ist: Wenn alle die Opfer ihre Peiniger damit peinigen wollten, wäre es soweit. Nein, es geht um mehr, viel mehr: um Moral, Integrität, um Liebe und Barmherzigkeit.

Franziskus nutzen keine weltzugewandten Worte mehr, diese Lutherworte. Er muss handeln: im Sinne der Menschen – und der Kirchen. Räumt er nicht auf, räumt die katholische Kirche im Ganzen nicht auf, hat das Auswirkungen über sie hinaus. Das Misstrauen wird sich nicht begrenzen lassen – die Protestanten werden es auch zu spüren bekommen. Franziskus muss gegen alle Scheinheiligen angehen, sonst wird er einer von ihnen. Und die christlichen Kirchen werden in den Abgrund gezogen.

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