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Der russische Präsident Wladimir Putin.
© dpa

EU wirft Russland Desinformation in Coronakrise vor: „Die Kampagne soll Verwirrung, Panik und Angst verschärfen“

Der Kreml hat einem EU-Bericht zufolge eine „signifikante Desinformationskampagne“ in der Coronakrise gestartet. Ziel sei es, die Krise zu verschlimmern.

Seit dem Beginn der Coronakrise hat die Europäische Union die Beobachtung von Fake News im Internet intensiviert – und eine „signifikante Desinformationskampagne“ durch russische Staatsmedien und kremltreue Akteure entdeckt. „Diese Kampagne ist darauf angelegt, Verwirrung, Panik und Angst zu verschärfen“, heißt es in einem Papier der Abteilung für Strategische Kommunikation des Europäischen Auswärtigen Dienstes, das dem Tagesspiegel vorliegt. 

[Der Kommentar zum Thema: Russische Desinformaton in der Coronakrise: Methoden aus dem Lehrbuch des KGB] 

Ziel der Desinformation durch den Kreml sei es, die Krise in westlichen Ländern zu verschlimmern, besonders indem das öffentliche Vertrauen in die nationalen Gesundheitssysteme untergraben werde. Diese Bemühungen seien im Einklang mit einer breiter angelegten Strategie des Kremls, nämlich den Versuchen, „die europäischen Gesellschaften von innen zu zersetzen“, indem ihre Schwachstellen und ihre Spaltungen ausgenutzt würden.

Die russische Führung wies die Vorwürfe der EU zurück. Diese entbehrten jeder Grundlage, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

[Aktuelle Entwicklungen der Coronavirus-Pandemie können Sie hier im Newsblog verfolgen.]

Die selbst für ein internes Papier ungewöhnlich deutlichen Worte aus Brüssel haben ihren Grund: Nur zu gut ist vielen Europäern noch in Erinnerung, wie der Kreml während der Flüchtlingskrise 2015 in den von ihm kontrollierten Medien das Bild eines Europas zeichnete, das praktisch vor dem Zusammenbruch stehe, und wie Moskau zugleich die antieuropäischen Kräfte unterstützte. Eine Task Force, die gezielt nach russischer Desinformation sucht, wurde vom Europäischen Auswärtigen Dienst 2015 unter dem Eindruck der russischen Intervention in der Ukraine und der damit einhergehenden Welle von Fake News gegründet.

Die „East StratCom Task Force“ hat seit dem 22. Januar insgesamt 80 Fälle von Desinformation über Corona in russischen Staatsmedien oder von kremltreuen Akteuren dokumentiert. So hieß es in einer Radiosendung des russischen Senders Vesti FM, in Deutschland fehle es an qualifizierten Ärzten, um das Coronavirus zu bekämpfen. „News Front“ berichtete in spanischer Sprache, Covid-19 könne Teil eines hybriden Krieges der USA gegen China sein. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Sputnik vermeldete ebenfalls auf ihrer spanischen Seite, das Virus sei in Wirklichkeit eine Biowaffe – und deutete an, die Amerikaner könnten dahinterstecken.

Dass das Coronavirus eine im Westen hergestellte Waffe sei, ist ein verbreitetes Thema in den vom Kreml gesteuerten Medien. Außerdem wird die Pandemie in mehreren Beiträgen mit der Nato in Verbindung gebracht, die damit Russland schwächen wolle.

Spanien und Italien im Fokus

Auffällig ist auch, dass etliche dieser Desinformationsnachrichten auf Spanien und Italien zielen, also die beiden Länder, die innerhalb Europas derzeit am schlimmsten vom Coronavirus betroffen sind. Und Russlands Propagandamedien finden tatsächlich ein Publikum: Der Sender RT steht mit seiner spanischsprachigen Seite in der Liste der internationalen Medien, deren Corona-Texte in den sozialen Netzwerken am häufigsten geteilt werden, auf Platz zwölf – nur knapp hinter der „Washington Post“. Mehr als 6,8 Millionen Mal seien Inhalte des spanischsprachigen Dienstes von RT auf Facebook, Twitter oder Reddit geteilt worden, heißt es in dem Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes.

Auf der Webseite der litauischen Zeitung „Kauno Diena“ erschien Ende Januar ein Text, in dem vermeldet wurde, ein in Litauen stationierter US-Soldat habe sich mit dem Virus infiziert. Die Zeitung berichtete später, der Text sei durch einen Hackerangriff auf die Seite gelangt. Auch auf anderen Seiten tauchte die gezielt gestreute Falschnachricht in litauischer, englischer und russischer Sprache auf. Ein Sprecher der litauischen Armee sagte, auf diese Weise sollten die Verbündeten des baltischen Staats diskreditiert und die Öffentlichkeit gegen sie aufgebracht werden. Bereits 2017 war in Litauen die Falschnachricht gestreut worden, Soldaten der Bundeswehr hätten ein Mädchen vergewaltigt. Auch damals wurde Russland als Urheber verdächtigt. Den jüngsten Vorfall meldete Litauen an die Partner in der EU – als Beispiel für Desinformation.

„Ein sehr professionelles wie heimtückisches Story-Telling“

Deutsche Sicherheitskreise sehen in der russischen Desinformationskampagne „ein sehr professionelles wie heimtückisches Story-Telling“. Die vom Staat gelenkten Medien versuchten über Sender und soziale Medien global das Narrativ zu verbreiten, bei der Coronakrise zeige sich erneut, dass der Westen böse sei und Russland gut. „Das wird anhand der Pandemie durchdekliniert“, heißt es. Die Coronakrise werde für die Strategie genutzt, mit antiwestlicher Propaganda weltweit Einfluss zu gewinnen.

Der russische Medienapparat nutze zudem aktuelle Ereignisse für seine Hetze. So werde das Gerücht verbreitet, bei dem großen Manöver „Defender 2020“ würden Nato-Soldaten das Virus in die baltischen Staaten einschleppen. Die USA, Deutschland und weitere 17 Staaten hatten geplant, die Verlegung von tausenden Soldaten in Richtung Polen und Baltikum zu üben. Das Manöver wurde allerdings diese Woche wegen der Coronakrise weitgehend eingestellt.  

Doch was lässt sich konkret gegen Desinformation tun? Der Sprecher des EAD appellierte an die EU-Bürger, Informationen genau zu prüfen: „Schauen Sie auf die Quellen. Informieren Sie sich in Quellen, denen Sie vertrauen. Seien Sie vorsichtig!“

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