Union, FDP und Grüne: Die Jamaika-Gespräche stimmen nur bedingt optimistisch
Die Sondierungen deuten daraufhin, dass die Beteiligten die Prioritäten in der Finanzpolitik falsch setzen. Im Vordergrund sollte die Infrastrukturmodernisierung stehen, gerne auch auf Pump. Ein Kommentar.
Wenn man unbedingt optimistisch sein will, kann man den 24. Oktober als ersten Meilenstein zur Bildung der ersten Jamaika-Koalition im Bund sehen. Union, FDP und Grüne haben bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages gemeinsam die Anträge zur Geschäftsordnung der SPD, der Linken und der AfD abgelehnt oder an den Ältestenrat weitergereicht.
Und am frühen Mittwochmorgen traten die vier Parteimanager erstmals gemeinsam vor die Mikrofone, um erste Ergebnisse der Sondierung in den Bereichen Finanz- und Europapolitik zu präsentieren. Bei den Finanzen hatte man sogar ein Papier verfasst, was von einigen Teilnehmern der Gespräche auch schnell per Twitter weiterverbreitet wurde.
Aber stimmt dessen Inhalt wirklich optimistisch? Nur bedingt. Zu den steuerlichen Entlastungsmaßnahmen zählen demnach Erleichterungen für Familien mit Kindern, für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen, der Abbau des Solidaritätszuschlags, die Förderung der energetischen Gebäudesanierung, die Förderung des Mietwohnungsbaus einschließlich der Umwandlung landwirtschaftlicher Flächen, Verbesserungen bei der degressiven Abschreibung für Abnutzung, die Einführung einer steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung und der Abbau von Subventionen, hieß es in der Nacht. Hinzukommt ein Bekenntnis zur Schwarzen Null und der Einhaltung der Schuldenbremse.
100 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre
Neu ist das alles nicht. Es handelt sich bei den sehr vage formulierten Forderungen lediglich um ein „best of“ aus den Wahlprogrammen der beteiligten Parteien. Wenn das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen aber darin bestünde, dass mit dem Schmiermittel Steuergeld jede Partei irgendeinen Prestige-Erfolg für die eigene Klientel herausholt, wäre das fiskalpolitisch falsch. Und wohl auch nur schwer finanzierbar: Rechnet man die Versprechungen aus den Wahlprogrammen alle zusammen, kommt man auf eine Summe von mehr als 100 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre. Das Bundesfinanzministerium beziffert den Spielraum aber lediglich auf 30 Milliarden Euro, auch wenn das wahrscheinlich, wie üblich, konservativ gerechnet ist.
Selbst wenn sich da sicher ein Kompromiss finden ließe, wäre es für die Zukunftsfähigkeit des Landes viel sinnvoller, wenn sich die Jamaika-Koalition am Ende der Verhandlungen darauf einigen könnte, die Priorität in den kommenden Jahren eindeutig auf Investitionen in die Infrastruktur zu legen, und da vor allem auf die Bereiche Verkehr, Ausbau schneller Internetleitungen und den Bildungssektor.
Richtig mutig wäre es von der Jamaika-Koalition, wenn sie für solche Zukunftsinvestitionen auch nicht auf das starre Erreichen der Schwarzen Null beharrt. Hier zieht auch nicht das Argument, dass man kommende Generationen mit weiteren Schulden über Gebühr belastet. Das gilt für schuldenfinanzierte Steuergeschenke oder soziale Wohltaten, die heute Kosten verursachen, ohne morgen etwas einzubringen.
Bei Infrastrukturinvestitionen ist es genau andersherum. Wer sie bei den niedrigen Zinsen jetzt nicht tätigt, wenn es sein muss auch auf Pump, versündigt sich an den kommenden Generationen. So billig wie jetzt wird man die dringend notwendige Modernisierung der Infrastruktur in absehbarer Zukunft nie mehr finanzieren können. Studien aus den USA haben gezeigt, dass die gesamtwirtschaftliche Rendite von solchen Investitionen so hoch ist, dass sie dem Fiskus mehr Steuereinnahmen bringen, als sie an Zinsen kosten.
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