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Der drohende „Kalif“: IS-Anführer Abu Bakr al Baghdadi hat angekündigt, man werde Palästina zu einem „Grab“ für Israelis machen.
© dpa

"Islamischer Staat": Die IS-Dschihadisten sind auch für Israel eine Gefahr

Für die Terrormiliz IS ist der jüdische Staat der ultimative Feind. Vor allem unter arabischen Israelis finden die Dschihadisten immer mehr Sympathisanten und Kämpfer.

Die Worte ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Die Juden dachten, dass wir Palästina vergessen haben und sie uns ablenken konnten. Das ist nicht der Fall“, tönte Abu Bakr al Baghdadi Ende Dezember. Und dann kündigte der selbsternannte Kalif des „Islamischen Staats“ (IS) an – ähnlich wie andere arabische Despoten vor ihm –, das Palästina „ein Grab“ für Israelis werde. „Unsere Bataillone kommen mit jedem Tag näher.“

Es war der bisher eindeutigste Aufruf, Anschläge im jüdischen Staat zu verüben. Und nach Einschätzung von Beobachtern ein Hinweis darauf, dass der IS in jüngster Zeit einige Rückschläge hinnehmen musste. Denn der Nahostkonflikt wird ebenso wie der Hass auf Juden gerne als eine Art Aufputschmittel instrumentalisiert, wenn die Erfolgsmeldungen ausbleiben – um die eigene Gefolgschaft zu mobilisieren und die Moral der Truppe zu stärken.

Für Sicherheitsexperten sind derartige Drohungen keine Überraschung. „Der jüdische Staat ist der ultimative Feind der gesamten islamischen Welt. Mit Israel als Angriffsziel will der IS seine Popularität steigern, denn bisher fehlt ihm die Unterstützung der Massen“, sagt Aviv Oreg, Gründer der investigativen israelischen Beratungsfirma „Ceifit“, die sich mit dem globalen Dschihad befasst. „Noch vor einem Jahr wollten arabische Israelis, die nach Syrien in den Krieg zogen, vorrangig gegen das Assad-Regime kämpfen. Mittlerweile hat sich die Agenda aber verändert – es geht jetzt mehr um Israel und den Nahostkonflikt. Sie wollen Kampferfahrungen sammeln, um diese dann gegen Israel anzuwenden.“

Gefahr im Inneren

Die Gefahr kommt aber nicht nur von außen, also aus Syrien im Norden und vom ägyptischen Sinai im Südwesten, wo sich zum Beispiel die Terrorgruppe „Unterstützer Jerusalems“ dem IS angeschlossen hat. Israels Präsident Reuven Rivlin warnte jetzt bei einer Konferenz des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv vor der Gefahr aus dem Inneren: „Der ,Islamische Staat’ ist bereits da“, sagte er. Studien, Zeugenaussagen und Analysen belegten, dass die Zustimmung zum IS unter arabischen Israelis steige und einige Fanatiker der Terrororganisation auch beitreten. „Selbst in Gebieten und Gruppen, die als säkular gelten, sehen wir heutzutage den Einfluss extremistischer Ideen.“

Erst Anfang Dezember hat der Inlandsgeheimdienst Shin Bet Medienberichten zufolge fünf verdächtige arabische Israelis verhaftet. Sie sollen versucht haben, eine Terrorzelle im Land aufzubauen. Die Männer aus Nazareth hätten sich zunehmend radikalisiert, dem IS die Treue geschworen und den Umgang mit scharfer Munition geübt. „Wir hatten Fälle, in denen arabische Israelis nach Syrien gegangen sind, danach Freunde aus ihrem Heimatdorf kontaktierten und sie zu überzeugen versuchten, eine Terrorzelle aufzubauen“, sagt Yoram Schweitzer, Extremismus-Experte am INSS und Berater für Strategien zur Terrorbekämpfung im Büro von Premier Benjamin Netanjahu.

IS-Flagge in Tel Aviv

So wurde zunächst vermutet, dass auch der Terroranschlag Anfang des Jahres in einer Bar in Tel Aviv einen IS-Hintergrund haben könnte. Bestätigt wurde dies allerdings nicht. Am Neujahrstag hatte Nashat Melhem in einer Bar zwei Gäste und auf der Flucht einen Taxifahrer erschossen. In seinem Rucksack, den er kurz vor der Tat in einem Laden zurückgelassen hatte, befand sich ein Koran. Zeitgleich zur Fahndung nach dem Täter, der später gestellt und von Sicherheitskräften erschossen wurde, entdeckte man auf dem Balkon eines Appartments im Norden Tel Avivs eine IS-Flagge. Nachbarn verständigten die Polizei. Doch die Bewohner hielten sich zu dieser Zeit bereits seit Längerem im Ausland auf.

Auch in Israels unmittelbarer Nachbarschaft fasst der „Islamische Staat“ offenbar immer mehr Fuß. Gaza ist zu einem attraktiven Rekrutierungsort der Dschihadisten geworden. Die anhaltende Not im Küstenstreifen, die Hoffnungslosigkeit und die Unzufriedenheit mit der herrschenden Hamas treiben dem IS immer mehr Sympathisanten und Kämpfer in die Arme. Ein Gegner im eigenen Machtbereich, ein Konkurrent im Kampf um Einfluss und Rückhalt in der Bevölkerung? Für die Hamas ist das nicht hinnehmbar. Sie versucht daher mit allen Mitteln klarzustellen, wer das Sagen in Gaza hat.

Nur: Die IS-Anhänger lassen wiederum nichts unversucht, die Hamas zu provozieren. Zumindest einige der jüngsten Raketenangriffe auf Israel sollen von den militanten Extremisten abgefeuert worden sein. Sie wollen damit offenbar die Regierung in Jerusalem nötigen, mit Luftschlägen zu antworten. Das birgt die Gefahr einer neuen Eskalation. Doch an einem weiteren Krieg gegen Israel hat die Hamas derzeit keinerlei Interesse. Ein solcher würde nur das Leid der Menschen vergrößern. Und womöglich den Machtanspruch der Hamas grundsätzlich infrage stellen.

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