Klimaschutz: Die Illusion vom grünen Wachstum
Nicht nur die Energiegewinnung muss sich ändern, sondern auch der Lebensstil. Ein Kommentar.
Um die Überhitzung des Planeten abzuwenden, folgen die Regierenden weltweit demselben Konzept: Neue, saubere Technologien sollten die schmutzigen ersetzen. Wind- und Solarkraft statt Kohlemeiler, E-Autos statt Benzinkutschen, grüner Wasserstoff statt Koks und Erdöl für Stahl und Chemie – wenn für all das schnell und viel investiert wird, dann wird alles gut, lautet die Verheißung. „Lasst uns das organisieren, es ist machbar“, kündete jüngst Amerikas Klimabotschafter John Kerry. Das Gleiche soll der „Green Deal“ der EU anstoßen, und genauso lautet die Botschaft der Bundesregierung in spe. „Klimaneutrales Wachstum“ verspricht die SPD, „wir haben die Technologien, wir können das“, versichert Noch-Umweltministerin Schulze. Klimaschutz sei die „technologische Chance“, sagt FDP-Chef Lindner, und selbst der Grünen-Vorsitzende Habeck glaubt, es bedürfe nur der richtigen Investitionen, dann könne das „Wohlstand und Klimaneutralität generieren“. Schön wär’s. Doch die Rettung durch grünes Wachstum ist eine gefährliche Illusion.
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Nicht mehr als Wunschdenken
Sie fußt auf einer unrealistischen Annahme: Der globale Energieverbrauch müsste binnen 30 Jahren fast vollständig von fossilen Brennstoffen auf die Strom- und Wärmeerzeugung durch Wind-, Solar- und Wasserkraft übertragen werden. Das wäre vielleicht möglich gewesen, wenn die Apologeten der Fossilindustrien das nicht drei Jahrzehnte lang ausgebremst hätten. Jetzt aber reicht die Zeit nicht mehr. Allein die Umstellung der deutschen Chemieindustrie von Erdöl und Gas auf grünen Wasserstoff würde eine Verdopplung der Stromerzeugung erfordern – allein mit Sonne und Wind. Gleichzeitig soll die Stahlindustrie auf Wasserstoff umsteigen. Zudem soll die Autoflotte alsbald mit grünem Strom fahren.
Es fehlen Rohstoffe für die Transformation
Selbst wenn die Deutschen ihre Nicht-bei-uns-Mentalität und den Widerstand gegen Windgeneratoren und Stromleitungen aufgeben, ist das nicht zu schaffen. Darum verlegt sich die Industrie auf die Beschaffung in Übersee. Aber auch die Bebauung der Wüsten mit gigantischen Windparks und Sonnenkraftwerken trifft auf ein gewaltiges Problem: Die Menge der benötigten Rohstoffe übersteigt bei Weitem die Förderkapazitäten. Eine moderne Windturbine enthält 67 Tonnen Kupfer. Und noch viel mehr wird für die Leitungen benötigt. Um die erklärten Klimaziele einzuhalten, wird sich der Kupferbedarf annähernd verdreifachen, kalkuliert die Internationale Energieagentur. Beim Lithium für die Batterien beträgt der Faktor gar 42.
Die Lebensweise muss sich ändern
Das heißt: Ja, der Umstieg auf saubere Energiequellen muss vorangehen. Aber ändern muss sich auch die Struktur von Produktion und Verbrauch. Drei Millionen neuer Autos im Jahr mit Batterien statt Tanks sind nicht die Lösung, sondern der Umstieg auf Bahnen und Busse. 76 Kilogramm Plastikmüll pro Kopf bedürfen nicht der Herstellung mit Wasserstoff, sondern der Beendigung des Verpackungswahns. „Die Frage nach dem Lebensstil wird sich bald sehr stark stellen“, mahnt daher die jeder Ökoromantik unverdächtige Ökonomin Maja Göpel. „Wir werden auf Dinge, die wir heute haben, verzichten müssen.“ Das wird womöglich ein Riesengewinn. Die aktuelle Wirtschaftsweise erzeugt Schäden im Wert von fast 20 Prozent der Wirtschaftsleistung, kalkuliert Göpel. Die können wir uns getrost sparen.
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