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Wahlkampfauftakt in Pittsburgh: Präsidentschaftskandidat Joe Biden.
© Aaron Josefczyk/REUTERS

Joe Biden macht arbeiterfreundlichen Wahlkampf: Die Hoffnung, mit Anstand Trump zu schlagen

Bei seinem Wahlkampf-Auftakt gibt sich Joe Biden moderat. Das hebt ihn ab von den extrem linken Kandidaten der US-Demokraten, doch reicht das gegen Trump?

Sie sind bekannt als die Retter in größter Not, werden als Helden verehrt, weil sie so viel riskieren. Nun sind die Feuerwehrleute einem Mann zu Hilfe geeilt, der wahrlich Unterstützung nötig hat. Denn er will nicht weniger, als den mächtigsten Mann der Welt aus dem Weißen Haus vertreiben.

"Wenn ich Donald Trump 2020 schlagen kann, dann wird es hier passieren", sagt Joe Biden, ehemaliger Vizepräsident der Vereinigten Staaten unter Barack Obama und seit dem vergangenem Donnerstag offizieller Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten.

"Hier", das ist Pittsburgh in Pennsylvania, der Bundesstaat, den sich Trump 2016 überraschend sicherte – ein Verlust, der die Demokraten besonders schmerzte, war es doch das erste Mal seit 1988, dass hier ein Republikaner triumphierte. Und Biden hat Pittsburgh ganz bewusst gewählt, um am Montag seinen Wahlkampf zu starten. Es ist sein dritter Anlauf, um amerikanischer Präsident zu werden.

Am Morgen, wenige Stunden vor Bidens Auftritt in Pittsburgh, verkündet die stolze Gewerkschaft der Feuerwehrleute, die International Association of Fire Fighters mit Sitz in Pittsburgh, dass sie Biden unterstützt. Ein wichtiger Schritt, sind die Feuerwehrleute doch die drittgrößte Gewerkschaft in den USA.

Nur folgerichtig hat Biden daher auch als Ort seines ersten Auftritts als Kandidat den Teamsters Temple No. 249 gewählt, Sitz einer Pittsburgher Gewerkschaft. Und als Ordner helfen viele Feuerwehrleute in roten und gelben T-Shirts, die rund 400 Zuhörer in den Raum zu bringen. Sie tun das aus Überzeugung.

Die Feuerwehrleute wissen um seine Unterstützung

"Wir unterstützen den, der uns unterstützt", sagt Mark Treglio, der für die Kommunikationsabteilung der mächtigen Gewerkschaft arbeitet und zuvor selbst mehr als 20 Jahre lang als Feuerwehrmann im Einsatz war, auf die Frage, warum die Entscheidung auf Biden fiel. Dieser habe sich in seinen mehr als 40 Jahren politischen Engagements immer für die Belange der Feuerwehrleute eingesetzt, sei es in der Frage, ob deren Überstunden entlohnt werden oder ob diejenigen, die als Folge ihres heldenhaften Einsatzes am 11. September 2001 an Krebs erkrankten, finanzielle Unterstützung bekommen sollten.

Das vergessen sie ihm nicht – und stehen nun bereit, ihrem Kandidaten zu helfen, wo und wann er sie braucht. Die Rede in Pittsburgh wird schon alleine deshalb zum Heimspiel für den auch in anderen Fragen als arbeitnehmerfreundlich geltenden Biden. Dazu kommt, dass die Menschen hier ihn als einen der ihren ansehen, da er in Pennsylvania geboren wurde.

Über all die Jahre trat er immer wieder in der Gegend auf, ihm kann keiner vorwerfen, diesen "Rust Belt"-Staat vernachlässigt zu haben, der noch immer unter dem Strukturwandel durch den Niedergang der amerikanischen Stahlindustrie zu leiden hat. Ihm nicht, anders als der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton, die den Staat bei der Präsidentschaftswahl 2016 an den als Arbeiterführer auftretenden Trump mit großem Abstand verlor. "Warum ich Pittsburgh ausgewählt habe? Weil es die Stadt der hart arbeitenden Mittelschicht Amerikas ist, das Rückgrat der Nation", sagt Biden nun.

Der Präsident der Feuerwehr-Gewerkschaft Harold Schaitberger, der in Pittsburgh zur Begrüßung spricht, verstärkt das noch. Die Demokraten bräuchten 2020 einen Kandidaten, der die Sprache der Arbeiter spreche. Denn diese, fügt er mit einem Seitenhieb auf Hillary Clinton hinzu, zweifelten daran, dass der letzte demokratische Kandidat ihnen zugehört oder sich für sie interessiert habe.

Außerdem macht er klar, warum die Wahl dieses Mal nur auf den als Mann der Mitte geltenden Biden fallen konnte: Die Demokraten könnten nicht mit einem Kandidaten ins Rennen gehen, "der zu weit links" stehe. Schaitberger warnt vor Bewerbern, die hohe Ideale und "vielleicht ehrenwerte Absichten" hätten, aber kaum eine Chance zu gewinnen. "Und es ist keine Frage: Der Kandidat, der gewinnen kann, der Kandidat, der unser nächster Präsident werden wird, ist Joe Biden."

Als erstes zieht er das Jackett aus

Biden, der gleich zu Beginn seiner Rede das Jackett auszieht und die Ärmel seines hellblauen Hemds hochkrempelt, skizziert nur in Ansätzen sein künftiges Programm. Wie eigentlich das aller demokratischen Kandidaten ist es ein aus deutscher Sicht sozialdemokratisches. Dazu gehört ein landesweiter Mindestlohn von 15 Dollar die Stunde und eine Rücknahme der Trump'schen Steuersenkungen, von denen die meisten Menschen gar nicht profitiert hätten, wie Biden sagt. Mehr zu seinem Wahlprogramm werde es in den kommenden Wochen geben, verspricht er. Und verkündet: "Ich bin ein Gewerkschaftsmann. Dafür entschuldige ich mich nicht."

Um den Titel des größten Gewerkschaftsfreundes bewirbt sich auch ein anderer aus dem Feld der bereits 20 Bewerber umfassenden demokratischen Präsidentschaftskandidaten: der deutlich weiter links stehende Bernie Sanders. Aber die Menschen hier glauben, dass Biden ihre beste Wahl ist, um Trump aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Denn nur darum geht es ihnen, darum, zu verhindern, dass letzterer eine zweite Amtszeit bekommt und noch mehr Schaden anrichtet.

"Joe Biden kann das Land wieder zusammenführen. Er hat die beste Chance, 2020 zu gewinnen", sagt Joan E. Bauer, die lange geduldig in der Schlange steht, um ihren Lieblingskandidaten zu hören. Die Schriftstellerin aus Pittsburgh hat schon für viele Demokraten Wahlkampf gemacht, an Biden schätzt sie vor allem seinen Anstand, seine Bodenständigkeit – und seine Erfahrung.

Daher stört sie auch nicht, dass er mit seinen 76 Jahren nach Bernie Sanders der zweitälteste Kandidat im Rennen ist. "Es gibt Wichtigeres als sein Alter", sagt sie abwehrend. Bauer ist überzeugt: "Der Weg ins Weiße Haus führt direkt durch Pennsylvania." Und dafür sei eben Biden mit Abstand der beste Mann, weil er die Mittelklasse für sich gewinnen könne.

Trump reagiert empfindlich

Genau das fürchtet Donald Trump, der sich am Montagmorgen in gleich mehreren Tweets zu Biden äußert. Die "Fake News"-Medien puschten diesen so sehr, obwohl er, Trump, doch überhaupt nur Präsident geworden sei, weil Obama und Biden, dem er den Spitznamen "Sleepy Joe" verpasst hat, ihren Job nicht erledigt hätten.

Auch regt er sich über die Wahlempfehlung der Feuerwehr-Gewerkschaft auf. "Die Beiträge abstaubende Führung der Feuerwehrleute-(Gewerkschaft) wird immer die Demokraten unterstützen, obwohl die Mitglieder mich wollen", schreibt Trump. "Manche Dinge ändern sich nie."

Die Unterstützung der Feuerwehrleute wird er mit solchen Äußerungen wohl eher nicht bekommen. Aber die hat ja auch schon Joe Biden.

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