Wenn die Union zerbricht: Die Grünen denken über eine Kenia-Koalition nach
Die Grünen planen für den Ernstfall, wenn die CSU die Koalition aufkündigen sollte. Es werden mehrere Szenarien durchgespielt.
Den Eindruck, die Grünen seien die letzte politische Kraft, die Kanzlerin Angela Merkels Asylpolitik noch unterstütze, will Robert Habeck auf keinen Fall so stehen lassen. Die Grünen stünden „ganz klar hinter einem progressiven, liberalen Europa“, sagt der Parteivorsitzende am Montag. Wenn die CDU-Chefin sich einem solchen Kurs anschließe, sei das wunderbar. Doch bei Habeck klingen Zweifel durch, dass es aus seiner Sicht in den nächsten Wochen dazu kommen wird.
Für den Grünen-Chef geht es im Streit zwischen CDU und CSU in diesen Tagen längst nicht mehr um eine Sachfrage, sondern nur noch um eine Machtfrage. „Wir schauen voller Besorgnis auf das, was die Unionsparteien da abziehen“, sagt Habeck im Anschluss an die Gremienberatungen seiner Partei. Deutschland erlebe derzeit eine Auseinandersetzung über die Grundausrichtung der Politik. National oder europäisch, autoritär oder liberal? Manch einer in der CSU wolle die politische Achse gerade in Richtung „nationalistisch und autoritär“ verschieben, mit Ländern wie Österreich, Ungarn und Polen als Vorbild, analysiert Habeck. Der Riss gehe aber ebenso durch andere Parteien – etwa die FDP und die Linke.
Was, wenn es Neuwahlen gäbe?
Am Wochenende war der Schleswig-Holsteiner in Bayern unterwegs. Zur Vorbereitung habe er Franz Josef Strauß gelesen, sagt er. Das könne er nur allen CSU-Politikern empfehlen. Natürlich habe der frühere bayerische Ministerpräsident auch gesagt, dass Bayern das Größte sei. Aber er habe auch gewusst, dass die Zukunft des Bundeslandes europäisch sei. Selbst diese Tradition drohe nun in der CSU verloren zu gehen, klagt der Grünen-Chef.
Dass die CSU an diesem Grundkonflikt schon absehbar die große Koalition mit CDU und SPD im Bund platzen lässt, daran glaubt Habeck im Moment allerdings nicht. Er selbst gehe davon aus, dass beim bevorstehenden Gipfel in Europa zumindest auf dem Papier eine Einigung gefunden werde, der dann auch CSU-Chef Horst Seehofer zustimmen könne. Doch „das Gewürge“ werde weitergehen, prognostiziert Habeck.
Aber was wäre, wenn es doch zu Neuwahlen käme? Und wären die Grünen bereit, im Falle eines Bruchs der Unions-Parteien als Partner für eine Koalition aus CDU und SPD zur Verfügung zu stehen? Intern werden solche Szenarien bei den Grünen bereits durchgespielt. Einig ist man sich in Führungskreisen in einem: Leichtfertig Neuwahlen fordern will in der Partei keiner. Zwar könnten die Grünen damit rechnen, dass sie dieses Mal deutlich mehr erreichen könnten als die 8,9 Prozent aus dem vergangenen Herbst. Doch der Preis wäre voraussichtlich, dass die AfD gestärkt aus der Wahl hervorginge, heißt es bei den Grünen.
Gemischte Gefühle
Die Vorstellung, mit CDU und SPD über eine Koalition verhandeln zu müssen, löst bei den Grünen ebenfalls gemischte Gefühle aus. Auch weil sie wissen, dass es im Moment nicht gerade einfach wäre, mit einer zerrissenen CDU zusammenzukommen. Manche in der Partei weisen außerdem darauf hin, dass CDU und SPD ebenso das Gespräch mit der FDP suchen wollten.
Natürlich hätten die Grünen zuletzt gezeigt, dass sie bereit seien, Verantwortung zu übernehmen, sagt Habeck mit Blick auf die geplatzten Jamaika-Gespräche im letzten Herbst. Das bedeute aber nicht, dass die Grünen sich nun unbedingt hübsch für eine Regierung machen wollten. Bei jedem Szenario müsse abgewogen werden, ob es zu mehr Stabilität und Vertrauen führe – oder man das Chaos nur vergrößere, wenn man in ein solches Bündnis einsteige.
Klar ist, dass die Grünen CDU und SPD nicht ohne Koalitionsverhandlungen zur Mehrheit verhelfen würden. Zwei Stichworte hatte Grünen-Chefin Annalena Baerbock vor einer Woche genannt: den Kohleausstieg und eine humane Flüchtlingspolitik.