Asylstreit zwischen CDU und CSU: Die GroKo-Parteien müssen reden
Die CDU hofft, dass der Koalitionsgipfel eine Einigung mit der CSU vorbereiten kann. Doch ohne uns geht nichts, betont die SPD.
In der CDU-Spitze, könnte man auf den ersten Blick denken, haben sie Nerven. Alle Welt treibt der Flüchtlingsstreit um, aber Angela Merkels Präsidium beugt sich am Montag erst einmal über das Baukindergeld. Auf den zweiten Blick wird freilich klar: Im Krieg zwischen den Unionsschwestern ist hier für die CDU ein kleiner Punkt zu machen. Denn Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der gegen alle Absprachen in der Koalition verstößt – und der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat das als zweiter Zuständiger abgenickt.
Scholz will den Zuschuss für Eltern kappen; wer als Familie mit zwei Kindern mehr als 120 Quadratmeter baut oder kauft, soll leer ausgehen. In Städterohren klingt die 120 nach viel. Aber auf dem Land oder bei kinderreichen Familien, sagt ein CDU-Spitzenmann, sei das schnell überschritten. Obendrein hatten die Spitzen der Koalitionsfraktionen neulich auf der Zugspitze ausdrücklich solche Grenzen abgelehnt. Selbst aus Bayern kommt Protest. Völlig daneben, urteilt der CSU-Spitzenkandidat Markus Söder: „Darüber wird zu sprechen sein.“
Gelegenheit dazu ist an diesem Dienstagabend, wenn sich die Spitzen der Koalition zu ihrem ersten Krisengipfel treffen. Die SPD hatte ihn beantragt, um sich im Flüchtlingsstreit zu Wort zu melden. Die CSU hatte sich angeschlossen, um sich über die deutsch-französischen Beschlüsse von Meseberg zur Reform der Euro-Zone zu beschweren. Seehofer ärgert sich speziell darüber, dass Merkel den Vizekanzler Scholz, aber nicht ihn als CSU-Chef einbezogen hatte. Die Beschwerde ist berechtigt, verliert aber angesichts seiner Eigenmächtigkeit beim Baukindergeld ein wenig an Wucht.
Beim Hauptthema, dem Streit über Zurückweisungen an der Grenze, sind die Frontlinien in der Union unverändert. Das CDU-Präsidium unterstützte noch einmal Merkels Bemühungen, in europäischen Absprachen besser als bisher sicherzustellen, dass Asylsuchende sich nicht Deutschland aussuchen können, obwohl ein anderes EU-Land für sie zuständig wäre. Den EU-Minigipfel am Sonntag erklärt Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer zum „ersten Arbeitstreffen“, erste Ergebnisse erwarte sie im Lauf der Woche und dann vom regulären EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag.
In der Sitzung selbst ging es friedlich zu
Am Sonntag wollen CDU- und CSU-Vorstand je für sich die Ergebnisse bewerten. Ob die CDU dann für Merkel mehr Zeit fordern werde, wie es einzelne Spitzenleute wie der Nordrhein-Westfale Armin Laschet und EU-Kommissar Günther Oettinger schon anmahnen, will die Generalin nicht vorhersagen. Sie betont stattdessen, in der Sache hätten CDU und CSU ja das gleiche Ziel, nur über den Weg gebe es Differenzen – und über den Tonfall, der da zwischenzeitlich herrsche, zunehmende Irritation auch an der Basis. Aber „Kopfschütteln“ übereinander sei in der Geschichte von CDU und CSU ja andererseits auch nichts Neues.
In der Sitzung selbst ging es offenbar friedlich zu: Niemand wolle, dass „das Tischtuch zerschnitten“ werde, im Gegenteil betonten alle den Wert der Unionsgemeinschaft, sagt Kramp-Karrenbauer. Und so weist sie denn auch alle Varianten von Fragen ab, die aus ihr herauskitzeln wollen, ob sich das Konrad-Adenauer-Haus für den Fall der Spaltung auf einen Blitzeinfall der CDU in Bayern und ein Antreten bei der Landtagswahl vorbereite. Das müsste schnell gehen, wäre aber nicht unmöglich; bis Anfang August müsste eine CDU-Liste nebst nötigen Unterschriften beim Landeswahlleiter eingehen.
Aber so weit will es die CDU wirklich nicht kommen lassen. Sie setzt im Gegenteil sogar ein bisschen Hoffnung darauf, dass der Koalitionsgipfel hilft, von den Bäumen herunterzusteigen. Dort könnten alle vorliegenden Ideen und Vorschläge zu einem „Pakt zur Steuerung und Ordnung der Zuwanderung und der schnellen Integration“ gebündelt werden, sagt Kramp-Karrenbauer. Dazu zähle dann auch Seehofers „Masterplan Migration“, den immer noch praktisch niemand kennt. Sie gehe aber davon aus, dass die Partei- und Fraktionschefs plus Vizekanzler am Dienstag „nicht im luftleeren Raum“ diskutieren müssten.
SPD-Chefin Andrea Nahles hat Seehofers Vorschläge auch nicht lesen dürfen – und will sie deshalb auf der Pressekonferenz nach der Sitzung ihrer Gremien am Montag auch nicht bewerten. „Ich diskutiere keinen Plan, den ich noch nicht kenne“, sagt sie salopp. Die Partei- und Fraktionsvorsitzende macht den Ernst der Lage deutlich und versucht die SPD als Stimme der Vernunft in einem irrationalen Streit zu Gehör zu bringen. „Wir unterschätzen diese Woche keinesfalls“, sagt sie: „Es ist eine sehr entscheidende Woche für Deutschland und Europa.“ Allerdings sei für sie nicht erkennbar, ob CDU und CSU „in der Lage und willens sind, konstruktiv zusammenzuarbeiten“.
Nahles’ Botschaft lautet: Ohne uns können sich CDU und CSU nicht einigen, wir reden mit. Strikt gegen Zurückweisungen im nationalen Alleingang, für eine europäische Lösung – das ist die Position der SPD. Als Vermittler sieht sich Nahles beim Koalitionsgipfel nicht: „Die Probleme zwischen CDU und CSU können wir nicht lösen.“
Zwar hat Generalsekretär Lars Klingbeil schon mal ein Signal in die Welt gesetzt, indem er von Wahlkampfplanungen im Willy-Brandt-Haus sprach nach dem Motto: „Wir haben keine Angst.“ Nahles aber will noch nicht über den Ernstfall reden. Auf die Frage, wie die SPD reagieren werde, wenn Seehofer im Alleingang Zurückweisungen anordne, sagt sie: „Da sind wir noch nicht, nö!“
Dann ist da ja noch das Baukindergeld. Dass die CDU sich nun querstellt, scheint Nahles zu überraschen. Die „zuständigen Minister“ Scholz und Seehofer hätten sich doch geeinigt, sagt sie. Man kann es auch so sehen: wenigstens mal eine Streitfrage, bei der SPD und CSU-Chef an einem Strang ziehen.