Neuauflage des Duells mit Le Pen: Die Gewichte verschieben sich weiter zu Macrons Ungunsten
Der französische Präsident kann nicht ausschließen, bei der Stichwahl in zwei Wochen zu verlieren. Eine Umfrage sagt ein denkbar knappes Ergebnis voraus.
Es ist dasselbe Duell wie 2017 – aber unter anderen Vorzeichen. Wie schon vor fünf Jahren stehen sich bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich in zwei Wochen Emmanuel Macron und Marine Le Pen gegenüber.
Der Amtsinhaber und seine rechtsextreme Herausforderin wissen also, was sie voneinander auf der letzten Etappe beim Rennen um das höchste Staatsamt zu erwarten haben. Allerdings wird diesmal mit einem knapperen Ergebnis als bei der letzten Präsidentschaftswahl gerechnet.
Anders als 2017 ist nicht mehr auszuschließen, dass Marine Le Pen der Durchmarsch in den Elysée-Palast gelingt. Laut einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop kann Macron im zweiten Wahlgang mit 51 Prozent der Stimmen rechnen, während Le Pen auf 49 Prozent käme.
Bereits bei seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 2017 hatte Macron keinen übermäßigen Rückhalt. Als sich der damals 39-Jährige seinerzeit in der Stichwahl gegen Le Pen durchsetzte, wurde er vor allem in Deutschland als pro-europäischer Kandidat gefeiert. Vielfach übersehen wurde allerdings, dass Macron für viele Franzosen keineswegs der Kandidat der Herzen war.
Über wie viel Rückhalt verfügt Macron noch?
Inzwischen haben sich die Gewichte weiter zu Ungunsten von Macron verschoben: Wenn man das aktuelle Ergebnis vom Sonntag betrachtet, verfügen die beiden Rechtsaußen-Kandidaten Éric Zemmour und Marine Le Pen gemeinsam über einen größeren Stimmenanteil als Macron. Dies muss aber nicht bedeuten, dass Macron bei dem Duell mit Le Pen in zwei Wochen zwangsläufig unterliegen wird. Denn der Staatschef kann bei der Stichwahl auf Stimmen aus dem linken Lager zählen.
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2017 war der Liberale Macron noch erfolgreich mit dem Slogan angetreten, dass er „weder links noch rechts“ sei. Inzwischen sind viele Anhänger der – zersplitterten – französischen Linken aber zum Schluss gekommen, dass Macron eher ein Konservativer ist. Als Beleg werden seine Arbeitsmarktreform und eine verhältnismäßig strikte Einwanderungspolitik angeführt.
Dieser Umstand dürfte es für etliche Linkswähler erschweren, sich im zweiten Wahlgang zu einer Stimmabgabe für Macron durchzuringen. Während etwa die Wähler der im ersten Wahlgang ausgeschiedenen Pariser Bürgermeisterin Anna Hidalgo aus der Reihen der Sozialisten weniger Probleme mit einer zweiten Amtszeit Macrons haben, sieht das bei den Anhängern des ebenfalls ausgeschiedenen Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon schon anders aus.
Ein Teil der Mélenchon-Wähler könnte im zweiten Wahlgang für Macron stimmen, ein Teil für Le Pen, und nicht wenige Anhänger dürften dem zweiten Wahlgang ganz fernbleiben.
Der Amtsinhaber wird also die Zeitspanne zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang nutzen müssen, um noch einmal kräftig die Wahlkampftrommel zu rühren. Er dürfte zunächst einmal sicherstellen, dass seine treuesten Wähler geschlossen hinter ihm stehen. Dazu zählen Rentner sowie eher gut situierte Wähler in den urbanen Zentren.
Zu erwarten ist auch, dass sich der Staatschef wieder unmittelbar an jüngere Wähler richtet. Schon vor dem ersten Wahlgang hat Macron versucht, junge Wähler über das Internet-Medium Brut anzusprechen.
Und dann ist da noch das klassische TV-Duell, bei dem Macron voraussichtlich am 20. April gegen Le Pen antreten wird. Vor fünf Jahren wurde der Rechtsextremen dieser entscheidende Schlagabtausch zum Verhängnis.
Le Pen verwechselte das Telekommunikationsunternehmen SFR mit dem Energiekonzern Alstom, und statt Macron inhaltlich Paroli zu bieten, ging sie ihn in einem rüden Ton persönlich an. Ihr Scheitern bei der TV-Debatte führte Le Pen seinerzeit auf ein Schlafdefizit zurück. Für dieses Mal hat sie sich vorgenommen, sich besser vorzubereiten.
Mit welchem Stimmenzuwachs kann Le Pen im zweiten Wahlgang rechnen?
Die 53-jährige Chefin der Partei „Rassemblement National“ verdankt ihr gutes Abschneiden in der ersten Runde einem radikalen Programm, in dem unter anderem ein in der Verfassung verankerter Vorrang von Franzosen gegenüber Ausländern gefordert wird. Das deckt sich mit den Ideen des Ultarechten Zemmour. Auch wenn Zemmours Wähler eher ein bürgerliches Profil haben, dürften sie im zweiten Wahlgang mehr oder weniger geschlossen zu Le Pen überlaufen, die vor allem in der Arbeiterschaft verankert ist.
Zudem kann Le Pen damit rechnen, dass sich ihr im zweiten Wahlgang Wähler der konservativen „Républicains“ anschließen. Wie groß die inhaltliche Nähe zwischen der ehemaligen Regierungspartei und den Ultarechten inzwischen ist, hatte sich angesichts der Wortwahl der Spitzenkandidaten der „Républicains“, Valérie Pécresse, gezeigt. Pécresse hatte nicht davor zurückgeschreckt, mit Blick auf muslimische Einwanderer die verschwörungstheoretische These eines „großen Bevölkerungsaustauschs“ zu übernehmen.
Welche Bedeutung werden die steigenden Preise für die Stichwahl haben?
Trotz des Krieges in der Ukraine, in dem Macron in den ersten Wochen nach dem russischen Überfall seinen Amtsbonus nutzen konnte, hätte der Amtsinhaber eigentlich ahnen können, dass sich vor der Wahl ein anderes Thema in den Vordergrund schieben würde: die Angst vieler Franzosen vor dem „fin du mois“, sprich: die Sorge, am Ende des Monats nicht mehr genug Geld in der Haushaltskasse übrig zu haben.
Das Thema der Kaufkraft ist schon seit Jahren ein Dauerbrenner im Nachbarland. Schon der Aufstand der "Gelbwesten" im Jahr 2018/2019 war durch zusätzliche Treibstoffabgaben auf Benzin und Diesel ausgelöst worden. Macron hätte also wissen können, dass die steigenden Preise auch in diesem Wahlkampf eine große Brisanz entfalten würden.
Vermutlich dachte Macron, er habe das Thema durch seine frühzeitigen Gegenmaßnahmen entschärft. Schon im vergangenen Jahr hatte Premierminister Jean Castex eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 100 Euro für Haushalte mit einem Nettoeinkommen von weniger als 2000 Euro angekündigt. Flankiert wurde dies mit weiteren Maßnahmen der Regierung wie einer Benzinpreissenkung um 18 Cent pro Liter.
Doch das änderte nichts daran, dass Le Pen die Flaute in vielen Haushaltskassen nutzte, um bei ihren Stammwählern – den unteren Einkommensschichten – zu punkten. Le Pen verspricht in ihrem Wahlprogramm, die Mehrwertsteuer auf Strom, Gas, Heizöl und Benzin auf 5,5 Prozent zu senken. Gegenwärtig liegt der Steuersatz hier bei 20 Prozent.
Trotz der Sorgen um die Kaufkraft sollte aber nicht übersehen werden, dass die Inflationsrate in Deutschland gegenwärtig weit höher als in Frankreich liegt: Während die Rate im Nachbarland im vergangenen Monat im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 4,5 Prozent lag, waren es im März hierzulande 7,3 Prozent.
Dennoch ist Macron inzwischen auch zum Getriebenen geworden. Bei einer Großkundgebung in der Arena des Pariser Vororts La Défense kündigte er vor einer Woche an, dass es ab dem kommenden Sommer eine zusätzliche steuerfreie Kaufkraftprämie von bis zu 6000 Euro für Beschäftigte geben solle.
Welche Rolle spielt Macrons geplante Rentenreform?
Falls er wiedergewählt werden sollte, will Macron an seinem Vorhaben festhalten, das gesetzliche Renteneintrittsalter auf 65 Jahre heraufzusetzen. Damit unterscheidet er sich deutlich von Le Pen, die eine Rente mit 60 in ihrem Programm im Angebot hat.
Gegenwärtig liegt das gesetzliche Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Macron ist hingegen davon überzeugt, dass sich sein Projekt einer Mindestrente von 1100 Euro nur über eine längere Lebensarbeitszeit verwirklichen lässt. Besonders Beschäftigte in körperlich anstrengenden Berufen lehnen die Reformpläne des Staatschefs ab. Und die gehören wiederum zu den Stammwählern Le Pens.