Umsturz im Sudan: „Die Frauen spielen eine sehr wichtige Rolle“
Mit dem Ende der Diktatur von Omar al Baschir haben die Protestierenden ihr Ziel noch nicht erreicht, erklärt Regionalexpertin Annette Weber. Ein Interview.
Frau Weber, der Präsident des Sudan Omar al Baschir wurde aus dem Amt geputscht – was passiert da gerade im Land?
Die drei Sicherheitsapparate des Landes, Militär, Geheimdienst (NISS) und paramilitärische Kräfte (RSF) haben sich zusammengetan und gegen den Präsidenten Omar al Baschir gestellt. Der Verteidigungsminister hat eine Übergangsregierung für zwei Jahre angekündigt. Eine Militärregierung ist allerdings nicht, was die Demonstrierenden wollten. Sie fordern eine zivile Übergangsregierung. Die Proteste könnten also weitergehen. Möglich wäre aber auch, dass sich ein Großteil der Menschen mit der Absetzung des Präsidenten zufriedengibt - und der Protest geschwächt und abebbt. Schließlich war sein Sturz eine zentrale Forderung der Proteste. Fraglich ist auch, ob jetzt wirklich alle drei Sicherheitsapparate vereint sind. Wenn das nicht so ist und sich die RSF gegen das Militär stellen, könnte es zu einer militärischen Eskalation kommen.
Wieso kam es gerade jetzt zum Umsturz?
Die Proteste wurden im Dezember durch eine Erhöhung der Brot- und Benzinpreise ausgelöst – also durch die wirtschaftlich katastrophale Lage im Land. Seitdem hat sich der Protest zugespitzt und zum Aufruf zum Sturz des Präsidenten Omar al Bashir entwickelt. Im Februar wurden Demonstranten verhaftet und getötet. Deshalb forderten die Menschen das Militär auf, sie zu beschützen. Das Militär hat sich daraufhin gespalten. Untere Ränge hielten zu den Demonstranten, obere nicht. Auch der Geheimdienst stellte sich gegen die unteren Militärs. Dadurch ist Druck entstanden, auf den die Sicherheitsapparate reagieren mussten, um die Lage für sich zu entschärfen.
Unter den Demonstranten waren viele Lehrerinnen und aufgebrachte Mütter – welche Rolle spielen die Frauen bei diesem Umsturz?
Die Frauen spielen eine sehr wichtige Rolle. Bei den Protesten waren Zehntausende Frauen auf der Straße zu sehen. Im Sudan gab es schon immer einflussreiche Frauen in der Öffentlichkeit. In einer Übergangsregierung des Militärs wird aber keine einzige Frau sein. Das werden sich die Frauen nicht gefallen lassen.
Wie könnte eine zivile Übergangsregierung aussehen?
Die Menschen wollen eine technokratische Regierung, die sich vor allem durch wirtschaftlichen Sachverstand auszeichnet. Sie wünschen sich wirtschaftliche Reformen.
Welche Reformen wünsche sich die Protestierenden konkret?
So genau ist das noch nicht definiert. Auf alle Fälle mehr wirtschaftliche Diversität, momentan stützt sich alles auf das Öl. Auch der Kampf gegen die Korruption ist eine wichtige Forderung. Das Regime war jetzt 30 Jahre an der Macht und die Menschen fragen sich, ob es überhaupt einen Wirtschaftsplan gibt. Der ist jetzt dringend notwendig.
Was bedeutet der Umsturz im Sudan für den Westen?
Der Sudan ist für Europa ein Partner in Sachen Migration und für die USA bei der geheimdienstlichen Zusammenarbeit. Das Land spielte aber auch eine sehr unrühmliche Rolle. Gegen den nun ehemaligen Präsidenten Omar al Baschir liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Sein Abgang kann für die internationalen Beziehungen also nur von Vorteil sein.
Dr. Annette Weber ist Regionalexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) für Afrika und den Sudan.
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