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Ein Mitglied der Türkischen Gemeinde in einer Moschee.
© Marcus Brandt/dpa

Moscheeverband Ditib: Die Folgen der Spitzelei für die Türkei

Imame des Moscheeverbandes Ditib haben Informationen an die Türkei weitergegeben. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Seit Dezember steht Deutschlands größter Moscheeverband Ditib erneut in der Kritik. Die regierungskritische türkische Zeitung „Cumhuriyet“ und die „Welt“ hatten herausgefunden, dass die türkische Religionsbehörde Diyanet Imame von Ditib in Deutschland angewiesen hat, Informationen über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen nach Ankara zu schicken. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan macht Gülen für den Putschversuch im Juli verantwortlich. Ditib ist von der türkischen Religionsbehörde abhängig und hat am Donnerstag zunächst zugegeben, dass einige Imame der Anweisung gefolgt sind und Informationen nach Ankara geliefert haben. Später am Tag nahm Ditib die Aussage teilweise zurück. Was folgt daraus für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern mit der Ditib? Wie steht es um den Verband, der 900 Moscheegemeinden in Deutschland betreut?

Wie reagierte Ditib auf die Spitzel-Vorwürfe?

„Die Anweisung war eine Panne“, sagte Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga dem Tagesspiegel und anderen Zeitungen und Online-Portalen. Sie sei nicht an Ditib gegangen, sondern an die Auslandsvertretungen der Türkei. Auch er habe davon aus der Zeitung erfahren und sei schockiert gewesen. Die Religionsattachés in den Konsulaten haben die Aufsicht über die Ditib-Imame. „Aufgabe der Imame ist die Seelsorge und nicht, Informationen zu sammeln. Fälschlicherweise sind trotzdem einige wenige Imame der Anweisung gefolgt“, sagte Alboga. So etwas dürfe nicht mehr vorkommen. Das habe man Diyanet mitgeteilt. Die Vorgänge würden untersucht. Am Abend schickte Alboga jedoch eine Erklärung, wonach der Verband „die schwerwiegenden Vorwürfe der ’Bespitzelung’ nicht bestätigt“ habe. Er habe lediglich sagen wollen, dass die Vorwürfe ernst genommen und von Ditib untersucht würden. „Mit der ’Panne’ meinte ich, dass die Aufforderung missverständlich ausgelegt wurde“, schrieb Alboga. Damit weist er offenbar den betroffenen Imamen die Schuld zu.

Was sagen die Anhänger der Gülen-Bewegung?

Nach Angaben des Leiters der Gülen-nahen Berliner Stiftung „Dialog und Bildung“, Ercan Karakoyun, würden die Menschen wegen der starken Anfeindungen durch Erdogans Anhänger auf andere Moscheegemeinden ausweichen. „Schöne Presseerklärungen von Ditib gegen Anfeindungen und Bespitzelungen haben im Alltagsleben ihrer Gemeinden keine Wirkung und sind vor allem für die deutsche Öffentlichkeit bestimmt“, sagte Karakoyun der Katholischen Nachrichtenagentur. Solange das Führungspersonal von Ditib aufs Engste mit der türkischen Religionsbehörde in Ankara verknüpft bleibe, werde sich auch nichts ändern. Jetzt von einer "Panne" zu sprechen, sei verniedlichend. Die Gülen-Bewegung, die sich selbst "Hizmet" nennt (türkisch für Dienst) zählt in Deutschland bis zu 100 000 Anhänger.

Warum steht Ditib schon seit Längerem in der Kritik?

2015 posierte ein Ditib-Funktionär in Dinslaken mit Salafistengruß in den sozialen Netzwerken. Anderswo verunglimpften Ditib-Mitglieder Juden und Christen. Im September 2016 veröffentlichte die türkische Religionsbehörde einen Comic, der den Märtyrertod verherrlicht. Der Comic sei zum „Tag der Gefallenen“ erschienen, an dem vor allem der Opfer des Ersten Weltkriegs gedacht werde. Er wolle Kindern Trost spenden, erklärte der Ditib-Bundesverband. NRW-Innenminister Ralf Jäger beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit Ditib bei einem Präventionsprogramm.

In ihrer Freitagspredigt am 30. Dezember 2016 schmähte die türkische Religionsbehörde Silvesterfeiern als „illegitimen Brauch einer fremden Kultur, die sich nicht mit den türkischen Werten vereinbaren lassen“ – ganz im Einklang mit der Regierungspartei AKP, die seit Jahren Stimmung macht gegen Silvesterfeiern. Nachdem ein islamistischer Terrorist in der Silvesternacht 39 Menschen in einem Istanbuler Nachtclub getötet hatte, verurteilte der Diyanet-Präsident das Attentat und warnte vor einer Spaltung in der Gesellschaft. Ditib hat die Silvesterpredigt nicht übernommen. Doch auch in Deutschland posteten Jugendliche aus Ditib-Moscheen antichristliche Slogans und eine Zeichnung, auf der ein Muslim einen Weihnachtsmann verprügelt.

Man bedauere das sehr, hieß es in der Ditib-Zentrale. Hetze gegen Andersdenkende seien nicht vereinbar mit den Werten von Ditib. Es handle sich um Einzelfälle. Doch die Einzelfälle häufen sich. Der Berliner Islamexperte Ahmad Mansour, der in der Präventionsarbeit tätig ist, beobachtet, dass immer häufiger auch Jugendliche aus Ditib-Moscheen fundamentalistische Parolen äußern. Das könnte daran liegen, dass die türkische Religionsbehörde theologisch immer reaktionärer wird, je mehr Präsident Erdogan die Türkei zu einem autoritären islamistischen Staat umbaut, in dem Widerspruch kaum noch geduldet wird.

Die Türkei versteht sich seit der Staatsgründung durch Kemal Atatürk 1923 als laizistischer Staat. Doch von einer Trennung von Staat und Religion kann keine Rede sein. Der türkische Staat kontrolliert die Religionen durch die Religionsbehörde, die direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Als die Kemalisten regierten, predigte die Religionsbehörde einen liberaleren Islam, und der Einfluss des Islam auf den Staat war gering. In Deutschland hofierten Bund und Länder den von Diyanet abhängigen Verband deshalb jahrzehntelang. Eine von Ankara abhängiger Organisation schien gegen fundamentalistische Einflüsse immun zu sein. Seitdem die islamisch geprägte AKP regiert, vertritt Diyanet einen konservativen Islam und macht mit immer kruderen Positionen auf sich aufmerksam. Ditib steht unter Verdacht, diese Positionen zu übernehmen, auch weil sie sich nicht klar gegen Diyanet abgrenzt.

Wie eng ist Ditib mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet verflochten?

Ankara schickt die Imame der Ditib-Moscheen und bezahlt sie auch. Doch Ditib betonte stets, dass die Moscheegemeinden ansonsten eigenständige Vereine sind nach deutschem Vereinsrecht. Doch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kam 2015 zu dem Ergebnis, dass Ditib auch satzungsmäßig an Diyanet angebunden ist. Diyanet nehme bei Ditib „Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollbefugnisse“ wahr: „So besteht der mächtige Beirat, der an Entscheidungen über alle grundlegende Fragen des Verbands beteiligt werden muss und zumeist die endgültige Entscheidungsbefugnis hat, ausschließlich aus Diyanet- Funktionären.“

Wie sich Ankaras Einfluss auswirkt, konnte man vor Weihnachten in der Berliner Sehitlik-Moschee beobachten. Der bisherige Vorstand hatte das Haus am Columbiadamm zu einer offenen Vorzeigemoschee gemacht und mit vielen gesellschaftlichen Gruppen kooperiert. Auch Vertreter der LGBT-Community wurden empfangen, was für eine konservative Moschee nicht selbstverständlich ist. Doch bei der Vorstandswahl im Dezember wurde auf Anweisung des Religionsattachés der türkischen Botschaft kurzerhand ein neuer Vorstand installiert. Der Protest von Gemeindemitgliedern konnte daran nichts ändern.

Wie reagieren die Bundesländer, die mit Ditib kooperieren?

Als größter Moscheeverband sitzt Ditib in allen Bundesländern mit am Tisch, wenn es um Islamunterricht oder Islamische Theologie geht. Hamburg und Bremen haben Staatsverträge mit den Islamverbänden geschlossen, in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen waren die Verträge unterschriftsreif. Ditib möchte außerdem in allen Bundesländern als Religionsgemeinschaft anerkannt werden, so wie es in Hessen bereits der Fall ist. CDU- und FDP-Politiker in Hamburg fordern jetzt, den Staatsvertrag zu annullieren. Rheinland-Pfalz und Niedersachsen haben die Kooperation auf Eis gelegt, andere Bundesländer prüfen jetzt erst mal, wie eng die Ditib-Landesverbände mit Ankara verflochten sind.

Wie reagiert Nordrhein-Westfalen, wo einige Ditib-Imame gespitzelt haben sollen?

Nach einem Gespräch mit Verbandsvertretern hält die rot-grüne Landesregierung an der Kooperation fest. Ditib sei weiterhin ein „wichtiger Partner“, sagte ein Sprecher des Integrationsministeriums. Man erwarte aber „eine eindeutige Haltung im Sinne von Deeskalation und Meinungsfreiheit“. Man werde allen Entwicklungen entgegentreten, „innertürkische Konflikte auf unrechtmäßige Weise in Deutschland auszutragen“.

Wie reagiert der Bund?

Ditib ist seit 2006 Mitglied in der Deutschen Islamkonferenz beim Bundesinnenminister. Mittlerweile sieht auch das Innenministerium eine „zunehmende politischen Einflussnahme auf Ditib durch den türkischen Staat“. Es stelle sich die Frage, ob die Anbindung von Ditib an die Türkei noch ein Ausdruck religiöser Selbstbestimmung ist, sagte BMI-Sprecher Harald Neymanns. Eine Gemeinschaft, die durch einen anderen Staat so beeinflusst wird, dass ihre Grundsätze nicht Ausdruck ihrer religiösen Selbstbestimmung sind, erfülle nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft. Das Innenministerium „begrüßt die kritische Prüfung in den Ländern, ob die Ditib-Landesverbände unter den gegebenen Umständen die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllen“. Eine Instrumentalisierung von Ditib durch die Türkei sei „nicht hinnehmbar“. Man wolle aber weiterhin mit Ditib im Gespräch bleiben.

Könnte die Spionage durch die Imame strafrechtliche Konsequenzen haben?

Volker Beck, der religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, hat Strafanzeige wegen des Verdachts der Spionage zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Er fordert, dass Ditib der Generalbundesanwaltschaft die Personen benennt, die im Auftrag der Türkei Informationen gesammelt und an türkische Stellen weitergegeben haben. Ditib-Generalsekretär Alboga sicherte seine Mitarbeit bei der Aufklärung zu und sagte, die Namen seien den Behörden bereits bekannt. Das Bundesinnenministerium bestätigte, dass den Sicherheitsbehörden entsprechende Unterlagen vorlägen und geprüft würden.

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