Kleiner Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt: Die fehlgeschlagene Inszenierung
Das Treffen bei Kanzlerin Angela Merkel am Dienstagabend verlief aus Sicht der Länder enttäuschend. Nun erwarten sie, dass der Bund bis zum 24. September liefert.
Die Inszenierung lief nicht ganz nach den Vorstellungen der Bundesregierung. Keine langen Reden, keine Verhandlungen, keine Detailvereinbarungen – nur ein Signal sollte von dem Treffen des größeren Teils des Bundeskabinetts mit den Ministerpräsidenten der Länder im Kanzleramt am Dienstagabend ausgehen: Man stehe bei der großen nationalen Herausforderung der Flüchtlingspolitik zusammen, Bund und Länder zögen an einem Strang. Und der Bund gibt noch etwas dazu, schon vor dem eigentlichen Flüchtlingsgipfel am 24. September: Neue Verteilzentren und 40000 zusätzliche Erstaufnahmeplätze unter der Regie des Bundes, also auf dessen Kosten. Zusätzlich zu den bereits von den Ländern eingerichteten 53000 Erstaufnahmeplätzen.
Aber dann verlief der Abend doch etwas anders. Auf 20 Uhr 30 hatte das Kanzleramt die Pressekonferenz mit Angela Merkel und den Länderchefs Dietmar Woidke und Reiner Haseloff terminiert, um kurz vor 23 Uhr traten die drei vor die ausgedünnten Reihen der Medienvertreter. Die deutliche Zeitüberschreitung lag zwar auch am großen Kreis der Teilnehmer. Aber vor allem zog sich das Treffen hin, weil sich die Ländervertreter der Inszenierung nicht einfach beugen mochten (wiewohl alle das Signal des Zusammenhaltens unterstützten). Den Vorträgen der Bundesseite folgten Fragen, es wurde nachgehakt, es wurden Vorschläge gemacht – man habe dem Bund einfach mal die Praxis auseinandergesetzt und ihn mit der Realität konfrontiert, hieß es hernach. „Es hakt daran, dass die Bundesregierung noch nicht sehr weit ist in der Entwicklung konkreter Unterstützung“, sagte Bremens neuer Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) am Mittwoch. Zu vieles sei im Ungewissen geblieben, ergänzte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD).
Der Chef der entscheidenden Behörde kommt schlecht an
Zudem vermochten einige Akteure auf Bundesseite aus Ländersicht nicht zu überzeugen. Das galt vor allem für den Auftritt des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt – Urteile reichten von „nicht so gut“ bis „katastrophal“. Offenbar erwarten die Länder, dass man die Verfahren der Flüchtlingsaufnahme und der Asylantragsprüfung etwas weniger legalistisch angeht angesichts der Flüchtlingszahlen. Die Beschleunigung der Abläufe geht den Ministerpräsidenten viel zu langsam voran, auch wenn nun einige hundert Zollbeamte und Bundeswehrangehörige abgeordnet werden sollen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) brachte das Verlangen, die Pläne für bundeseigene Verteilungszentren und Erstaufnahmeplätze doch bitte zu konkretisieren, offenbar in Verlegenheit. Selbst Merkel, hieß es, habe mit kritischen Bemerkungen reagiert. Auf ein schnelles Ende des Treffens drängte sie angesichts des Verlaufs nicht mehr.
Unkoordinierte Vorschläge
Wie sich zeigte, sind einige der Liegenschaften, in denen der Bund nun seine Einrichtungen schaffen will, auch bereits von den Ländern in deren Unterbringungsplänen vorgesehen. Nach Informationen des Tagesspiegels will der Bund neben den beiden Verteilzentren in Fallingbostel und dem Schönefelder Ortsteil Waßmannsdorf vor allem ehemalige Militäreinrichtungen in Schweinfurt, Mannheim, Bamberg, Münster, Mönchengladbach, Wegberg und Krefeld nutzen. Zudem soll es zwei weitere Feldcamps mit je 5000 Plätzen in Grenznähe in Bayern geben. Angesichts des Vorhabens, Flüchtlinge ohne Chance auf Asyl oder Duldung möglichst gar nicht erst auf die Kommunen zu verteilen, sondern in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu belassen, ist das Angebot des Bundes aus Ländersicht aber zu gering. Als Maßnahme zur schnelleren Abschiebung wurde offenbar auch das Schweizer Modell angesprochen – schnelle freiwillige Rückkehr gegen eine Prämie samt Reiseticket. Auch die Regelungen zur Arbeitsaufnahme sollten aus Ländersicht endlich angepasst werden.
Kein Wort über die Milliarden-Forderungen
Über das große Geld wurde im Kanzleramt nicht mehr geredet, das Angebot des Bundes - drei Milliarden Euro zusätzlich für Länder und Kommunen - und die Gegenvorstellung der Länder, die auf das Doppelte hinausläuft, stehe weiterhin im Raum. Das soll nun bis Mitte kommender Woche geklärt werden; wobei die Länder darauf pochten, dass die Beamtenarbeitsgruppen schon am Mittwoch in die Spur geschickt werden und nicht erst am Freitag oder Montag. Die Erwartung der Länder, und zwar quer durch die Parteien, ist nun, dass der Bund bis zum Donnerstag kommender Woche klare Vorstellungen entwickelt. Es müsse klar sein, forderte die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD), „wie viel mehr Personal arbeiten im Bundesamt für Migration, wie schnell gehen die Verfahren in Zukunft und wie schaffen wir es, gemeinsam schneller zu integrieren, aber auch schneller zurückzuführen“. Vor einem halben Jahr klangen die Sätze ganz ähnlich.