Christian Lindner gibt sich euphorisch: Die FDP sollte sich nicht zu früh freuen
Die Liberalen scheinen nach der Wahl zu liefern. Doch: Es ist noch einiges drin, inhaltlich wie personell. Welche Probleme jetzt warten. Ein Kommentar.
Es klingt nahezu euphorisch, wie und was er über die bisherigen Ampel-Gespräche berichtet, jedenfalls für Christian Lindners Verhältnisse. Dass es gut vorangeht; dass die drei mutmaßlichen Koalitionäre einander respektieren; dass sie vertraulich und schon ziemlich vertraut miteinander umgehen - so und ähnlich kommt es vom FDP-Vorsitzenden. Und da wird auch etwas dran sein. Nur wird es nicht alles sein, nicht inhaltlich, nicht personell.
Die FDP scheint nach der Bundestagswahl zu liefern, so nannte es einmal einer der Vorgänger Lindners, Philipp Rösler: keine Steuererhöhungen zum Beispiel und auch keine Aufkündigung der Schuldenbremse. Auch kein Tempolimit, was dem Porsche-Liebhaber Lindner entgegenkommen mag.
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Das Sondierungspapier zeigt aber auch die Probleme für die Freidemokraten auf. Alles Angestrebte steht unter zeitlichem Vorbehalt. Schulden können noch kommen, Schattenhaushalte für Investitionen über die KfW, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, noch eingerichtet werden. Die Umwidmung von Milliarden, so wie die für Corona und Flutopfer, muss auch erst einmal bewerkstelligt werden, rechtlich und im Bundestag.
Einiges mehr noch im Detail: Wird das Land für die Windräder auch in Bayern genommen? Stichwort Solar: Wer soll das zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei den momentanen Lieferschwierigkeiten bezahlen? Und das Tempolimit: Es ist bloß nicht generell, aber vielerorts einführbar.
SPD hat alles dingfest gemacht
Die SPD dagegen hat alles dingfest gemacht. Mindestlohn, Wohnungen, Mindeststeuersatz, Rente … Da zeigt sich die Handschrift von Olaf Scholz. Und er macht Tempo. Der Zeitplan jetzt entspricht genau seiner strategischen Idealvorstellung. Damit verhindert er auch, dass sich zu eigenständige Politikambitionen in den neuen Bundestagsfraktionen entwickeln können.
Tempo übrigens auch wegen der Einbindung des schwierigsten Partners FDP: Denn sobald es das gemeinsame „Sondierungspapier“ gibt, können die Freidemokraten nicht mehr raus, trotz noch nicht vollends geklärter fundamentaler Einzelfragen. Warum?
Nicht zuletzt durch den desaströsen inneren Zusammenbruch der Union fehlt der FDP der alternative Partner und damit das Druckmittel. Dazu ist inzwischen angesichts der klaren Stimmung und Erwartung der Bevölkerung ein „last exit“ schwierig geworden.
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FDP-Generalsekretär Volker Wissing konnte daher verhandlungstechnisch keine sachliche Reißleine ziehen. Dabei ist die Partei vergangene Woche durch den Zusage-Coup der Grünen zu „Dreier-Verhandlungen“ - kurzfristig per SMS „informiert“ - in eine 2:1-Position gebracht worden. Im Grunde ist das ähnlich wie bei Angela Merkel mit den Grünen 2017, als es um Jamaika ging.
Worum es der FDP in den Koalitionsverhandlungen gehen wird: neben einer Modernisierungspräambel so bündig wie möglich die fundamentalen (Finanz-)Positionen festzuzurren und womöglich sogar unbedingt die Personalie „BMF Lindner“ durchzubringen, wegen der Verwandtschafts-DNA von SPD und Grünen.
Doch diese Frage bleibt offen: Ob es strategisch klug ist, angesichts erst noch zu füllender Kassen und als noch dazu ungelernter Minister sogleich das höchst komplexe Finanzressort zu übernehmen. Einmal macht ein Veto bei Finanzen nicht notwendigerweise in der Bevölkerung beliebt.
Zum anderen erwarten die FDP-Anhänger von einem ihrer Vertreter im Finanzressort nicht in erster Linie Geldausgeben. Ein Ministerium für Digitalisierung, Globalisierungsfolgen und Zukunftsinvestitionen mit Veto-Recht machte da ja durchaus auch was her.
Die Sondierungen zeigen: Es ist noch einiges drin, inhaltlich wie personell. Die Ampel muss noch aufgestellt werden.