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Videokonferenz zur Grundsatzeinigung. Ein Bildschirm zeigt Chinas Staatschef Xi Jinping (oben , von links nach rechts), EU-Ratschef Charles Michel, Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
© dpa

Blauäugig in Brüssel: Die EU billigt stillschweigend chinesische Zwangsarbeit

Unternehmen aus der EU haben Aussicht auf bessere Investitionschancen in China. Aber die EU zahlt dafür einen hohen Preis. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Nach siebenjährigen Verhandlungen gibt es nun kurz vor Jahresende eine grundsätzliche Einigung zwischen der EU und China über ein Investitionsabkommen. Das klingt zunächst wie die letzte Erfolgsmeldung in der zu Ende gehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft. In Wahrheit handelt es sich um einen geostrategischen Punktgewinn - allerdings nicht für die EU, sondern für China, das nun nicht mehr einen gemeinsamen harten Kurs der Europäer und der USA befürchten muss.

China ist für die EU nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Nicht zuletzt für Deutschland sind China und dessen Markt mit 1,4 Milliarden Menschen von entscheidender Bedeutung. Vor diesem Hintergrund mag es nachvollziehbar sein, dass sich insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Halbjahr für das Investitionsabkommen stark gemacht hat.

Sofern die Grundsatzeinigung bei weiteren Verhandlungen den letzten Schliff erhält und auch das Europaparlament anschließend zustimmt, bietet die Vereinbarung für die Europäer die Aussicht auf weitere Investitionen in Fernost - etwa bei E-Autos oder im Gesundheitswesen. Umgekehrt können chinesische Firmen auf größere Rechtssicherheit in der EU zählen.

Dafür zahlen die Europäer aber einen hohen Preis – und der besteht in der stillschweigenden Billigung von chinesischen Praktiken wie Zwangsarbeit und der Verletzung der Rechte von Minderheiten.

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Auch wenn Peking zuletzt bei den Verhandlungen so große Zugeständnisse gemacht hat wie nie zuvor, so sollte niemand in Brüssel blauäugig sein: Der „systemische Rivale“ China lässt sich auch dank guter Handelsbeziehungen noch lange nicht zähmen. Und wenn Peking in dem Abkommen zusagt, künftig Standards der internationalen Arbeitsorganisation ILO einhalten zu wollen, so stellt sich doch die Frage, wie Zuwiderhandlungen in der Praxis geahndet werden sollen.

Statt überstürzt eine Einigung mit Chinas Staatschef Xi Jinping zu suchen, wäre es für die Europäer sinnvoller gewesen, zunächst einmal mit dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden zu sondieren, wie eine kraftvolle transatlantische Antwort auf unfaire chinesische Wettbewerbspraktiken - etwa bei den Staatsbeihilfen - aussehen könnte. Doch diese Chance ist nun vertan.

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