Bayernwahl: Die Entscheidung in Bayern ist ein Epochenwandel
Die Dominanz der CSU hinweggefegt. Die SPD abgestürzt. Die Grünen auf Höhenflug. Das schafft Unruhe in München - und Berlin. Ein Kommentar.
Dieses Ergebnis ist ein politischer Orkan mit Ansage. Seit Wochen haben ihn die Demoskopen vorausgesagt: Die klare Dominanz der CSU ist von einem Tag auf den anderen hinweggefegt, die SPD auf zehn Prozent abgestürzt, die Grünen sind auf historischem Höhenflug. Damit sind auch in Bayern, dem Bundesland, das stets synonym mit der CSU gedacht wurde, die Verhältnisse der Nachkriegszeit Geschichte.
Es beginnt nicht weniger als eine neue Epoche. Die Fragmentierung der Parteienlandschaft, die Zeit der komplizierten Regierungsbildungen, des Ausgleichs und der Kompromisse ist auch in dem bisher am stabilsten regierten Bundesland angebrochen. Fortan wird sich die gewandelte Gesellschaftsstruktur auch in der Politik aus München spiegeln.
Auswirkungen an drei Fronten
Die CSU hat nicht nur einen historischen Tiefenrekord erzielt, ihre eigenen Wähler trauen ihr auch nicht mehr. Eine Mehrheit hat vor der Wahl bekundet, dass ihnen eine Koalition lieber ist. Sie wollen eine Balance der Interessen, einen ausgleichenderen Ansatz, als ihn Ministerpräsident Markus Söder oder CSU- Chef Horst Seehofer verkörpern.
Mindestens an drei Fronten wird das Ergebnis Auswirkungen auf die Politik jenseits der Landesgrenzen haben. Der Niedergang der CSU ist auch ein alarmierendes Signal für die große Schwesterpartei CDU. Das Wahlergebnis zeigt eindeutig: Die Unzufriedenen fühlen sich von der Union nicht mehr vertreten und das führt zu einem gravierenden Dilemma.
Versuchen die Parteistrategen die Ausrichtung nach rechts zu verschieben, etwa in der Einwanderungspolitik, kommen ihr die christlich-liberal Gesinnten abhanden. Bleiben sie bei ihrer bisherigen pragmatischen Linie, kommen ihr die rechten Protestierer abhanden. Der CSU ist durch das ungeschickte Lavieren von Seehofer und Söder allerdings das Meisterwerk gelungen, beide Seiten zu vergraulen. Die liberalen Wähler waren entsetzt über die Versuche der Parteispitze, im rechten Spektrum zu fischen und absentierten sich zu den Grünen, die Rechten glaubten der Parteielite kein Wort und rannten zur AfD.
Für maximale Unruhe ausgesprochen
Für die Sozialdemokraten ist das Ergebnis ein weiterer schwerer Schlag. Es ist der furchtbare und quälende Abschied einer Partei mit großer Tradition, die mehr als 70 Jahre lang die Geschichte der Bundesrepublik geprägt hat. Es ist auch das Ende der „Arbeiterpartei“ als Sammlungsbewegung. Wer heute Tag für Tag mit Hand und Handwerk schuftet – was immer weniger tun –, sucht offensichtlich seine politischen Vorbilder andernorts. Wird die bestehende Parteiführung das überleben? Das werden die nächsten Tage zeigen. Nicht auszuschließen ist, dass der Strudel zumindest Parteichefin Andrea Nahles wegreißt, nicht auszuschließen auch, dass die Verzweiflung die Sozialdemokraten aus der Regierung herausträgt.
Die Grünen dagegen können frohlocken, sie sind die neue starke Kraft der Republik. Sie haben am konsequentesten die offene und diskriminierungsfreie Gesellschaft vertreten. Beruhigend zu sehen, wie stark diese Position vom Wähler geschätzt wird, bei all dem Gerede von einem Rechtsruck der Gesellschaft.
Stabile Verhältnisse, die sich so viele wünschen, schafft die Bayernwahl allerdings nicht, weder in München noch in Berlin. Der Wähler hat sich mit machtvoller Stimme für maximal mögliche Unruhe ausgesprochen.
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