Astrazeneca kappt Impfstoff-Lieferung: „Die Einkaufstrategie der EU sollte man so nicht wiederholen“
Der SPD-Experte Karl Lauterbach kritisiert die EU-Impfstrategie. Der Impfstoff-Hersteller Astrazeneca kann zunächst weniger Vakzine liefern als geplant.
Die EU-Impfkampagne hat einen weiteren Rückschlag erlitten. Wie der britisch-schwedische Pharmahersteller Astrazeneca bestätigte, wird die EU demnächst weniger von dem Vakzin erhalten als ursprünglich geplant. Als Ursache nannte das Unternehmen Probleme innerhalb der europäischen Lieferkette.
Gegen Ende der kommenden Woche wird auf Seiten der EU mit einer Zulassung des Impfstoffs von Astrazeneca gerechnet, der weniger aufwändig gekühlt werden muss als etwa das bereits in der EU verwendete Vakzin von Biontech/Pfizer. Auch das Mainzer Unternehmen und der US-Partner haben derzeit mit einem Lieferengpass in der EU zu kämpfen.
Am Freitagabend hatte es aus EU-Kreisen geheißen, dass Astrazeneca im ersten Quartal voraussichtlich 60 Prozent weniger von dem Vakzin liefern werde als ursprünglich geplant.
Demnach sei ursprünglich geplant gewesen, dass Astrazeneca im ersten und im zweiten Quartal jeweils rund 80 Millionen Impfdosen an die 27 EU-Staaten liefere. Nun sollen es im ersten Quartal nur 31 Millionen Impfdosen sein.
Der Impfstoff des Unternehmens, das seinen Hauptsitz im britischen Cambridge hat, wird seit Anfang des Monats bereits in Großbritannien verimpft. Nach den Angaben des Unternehmens werden die Lieferungen für Großbritannien aber trotz der die EU betreffenden Produktionsschwierigkeiten aufrecht erhalten. Der Grund dafür liegt in den unterschiedlichen Lieferketten für Großbritannien und die EU. In den USA wird indes erst im April mit einer Zulassung des Impfstoffs von Astrazeneca gerechnet.
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Die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides teilte per Twitter mit, dass die EU-Kommission und die europäischen Mitgliedstaaten am Freitag angesichts der drastischen Kürzung der Liefermenge bei einer Sitzung des Lenkungsausschusses zur EU-Impfstrategie ihre "tiefe Unzufriedenheit" geäußert hätten. Für den kommenden Montag ist erneut eine Sitzung des EU-Lenkungsausschusses mit Vertretern von Astrazeneca geplant.
Wie Kyriakides weiter erklärte, soll mit dem britisch-schwedischen Hersteller auch über eine Beschleunigung bei der bevorstehenden Verteilung der Impfdosen in der EU gesprochen werden.
Österreich, Tschechien, Dänemark und Griechenland hatten dafür plädiert, den Impfstoff von Astrazeneca bereits jetzt in die Mitgliedstaaten zu liefern, um so einen schnellen Beginn der Impfungen unmittelbar nach der erwarteten Zulassung zu gewähren. Ein solches Verfahren hätte aus der Sicht der EU-Kommission allerdings rechtliche Probleme aufgeworfen.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte die Impfstrategie der EU. „Der Aufbau der Produktion der Impfstoffe läuft in Europa zu spät und zu langsam an", sagte Lauterbach dem Tagesspiegel. "Die USA haben mehr Impfstoff, als sie impfen können, in Europa ist es umgekehrt", fügte er hinzu.
"Das hat auch mit der Einkaufsstrategie der EU zu tun, die man so sicherlich nicht wiederholen sollte", so Lauterbach. Jetzt gehe es nach den Worten des SPD-Politikers darum, nach vorne zu blicken. "Den Lockdown gegen die gefährlichen Varianten hätte auch mehr Impfstoff nicht verhindert. Wenn der Lockdown gründlich wirkt und sehr erfolgreich ist, bringt er uns mehr Zeit für die Impfung", sagte er.