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"Bashar, du wirst fallen" steht an der Wand, an der gerade ein Soldat vorbeigeht. Gemeint ist der syrische Machthaber Bashar al Assad.
© AFP
Update

Streit um Syrien-Politik: Die Diplomaten schießen scharf

Nach dem EU-Streit um das auslaufende Waffenembargo für Syrien kritisiert die SPD die Bundesregierung scharf. "Mit einer solchen Politik bewirkt man gar nichts", sagt der verteidigungspolitische Sprecher. Auch Russland kritisiert den EU-Beschluss. Und Israel warnt Moskau.

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, hat den EU-Streit über Waffenlieferungen als "Fiasko für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union" kritisiert. Er hätte es begrüßt, wenn die Idee Frankreichs und Großbritanniens, gemäßigten Aufständischen Waffen zu liefern, "als Möglichkeit" ins Auge gefasst worden wäre, "ohne direkt und sofort Waffen zu liefern - sondern als Drohpotenzial und Druckkulisse", sagte Arnold dem Tagesspiegel. Ein solcher Beschluss hätte dem Assad-Regime signalisieren können, "wir sind nicht bereit, nur untätig zuzuschauen". Und er hätte den syrischen Aufständischen gegenüber mit der Aufforderung verbunden sein können, "sich endlich zu einigen und einen Sprecher zu identifizieren, der sie auch international vertreten kann", andernfalls werde man die Waffen nicht liefern. Diese Chance, beide Seiten unter Druck zu setzen und damit eine Veränderung der Situation herbeizuführen, sei vertan worden, sagte Arnold.

Der SPD-Politiker kritisierte zudem die deutsche Haltung bei den Gesprächen der EU-Außenminister. Deutschland habe sich gegen Waffenlieferungen ausgesprochen, aber mit seiner Haltung "akzeptiert, dass das Waffenembargo im Juni nicht verlängert wird und ausläuft", sagte Arnold dem "Tagesspiegel". "Mit einer solchen Politik bewirkt man gar nichts."

Auch Russland hat die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen Syrien verurteilt. Dies schade „direkt“ den Bemühungen um eine Befriedung des Konflikts in dem Land, sagte der russische Vize-Außenminister Sergej Riabkow der Nachrichtenagentur Itar-Tass am Dienstag. Die EU-Außenminister hatten das Embargo zuvor nach schwierigen Beratungen nicht verlängert, weil mehrere Staaten die Möglichkeit von Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen gefordert hatten.

Israel warnte Russland indes vor der Lieferung hochmoderner Luftabwehrraketen an Syrien. Die Regierung wisse, „was zu tun ist“, wenn Moskau Syriens Machthaber Baschar al Assad mit den Raketen ausrüste, sagte Verteidigungsminister Mosche Jaalon am Dienstag in Jerusalem. Kurz zuvor hatte Russlands Vize-Außenminister den umstrittenen Rüstungsauftrag als „Stabilisierungsfaktor“ gerechtfertigt, weil die Waffen andere Länder vor einer Einmischung abschrecken würden. Die Boden-Luft-Raketen vom Typ S-300 können Kampfflugzeuge oder Marschflugkörper abfangen.

Nur einige Stunden zuvor hatte sich die EU nicht auf die Verlängerung ihres Waffenembargos gegen Syrien einigen können, sodass die militärische Aufrüstung der Assad-Gegner nun grundsätzlich erlaubt wird. Dies wiederum hatte Riabkow scharf kritisiert. Dadurch würden die Vorbereitungen für die geplante internationale Syrienkonferenz gefährdet, sagte er.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn setzt auch weiter auf eine diplomatische Lösung zur Beendigung der Kämpfe. „Ich hoffe, dass weder Großbritannien noch Frankreich noch irgendein anderes europäisches Land Waffen zu liefern braucht“, sagte Asselborn dem "Tagesspiegel". Die EU-Staaten sollten nun alles daran setzen, um der geplanten Syrien-Konferenz in Genf zum Erfolg zu verhelfen. Beim Treffen der EU-Außenminister sei am Montag "99 Prozent der Zeit" auf die Frage des EU-Waffenembargos verwandt worden. Gleichzeitig gebe es allerdings noch zahlreiche offene Fragen im Zusammenhang mit der Genfer Konferenz. So sei beispielsweise noch ungeklärt, wer die syrische Opposition bei dem Treffen vertreten werde. Grundsätzlich sprach sich Asselborn für eine Teilnahme Irans an der geplanten Konferenz aus. „Wenn es um Syrien geht, dann sollte ein großes Land wie der Iran auf den ersten Blick natürlich daran teilnehmen“, sagte der Außenminister. Er glaube allerdings nicht, dass der Iran bereit sei,  einen Kompromiss zu schließen und Druck auf den syrischen Staatschef Baschar al Assad zur Beendigung der Kämpfe auszuüben.

Warum die EU in der Syrien-Frage gespalten ist.

Es ist der „schwierige Verhandlungstag“ gewesen, den Außenminister Guido Westerwelle (FDP) schon bei Betreten des Brüsseler Ratsgebäudes erwartet hatte. Zu weit lagen die Positionen in der Frage auseinander, ob das EU-Waffenembargo zu Gunsten der syrischen Opposition gelockert werden soll. Da half es auch nicht, dass der Luxemburger Asselborn daran erinnerte, dass man ohne Einigung, „den Laden zumachen kann“.

Genau diesen Ernstfall hielt der österreichische Außenminister Michael Spindelegger am Montagabend dann für gekommen.

„Es ist bedauerlich, dass wir keinen gemeinsamen Standpunkt gefunden haben“, so der Wiener Vizekanzler. Im Umfeld der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und von Außenminister Westerwelle wurde ein endgültiges Scheitern aber umgehend dementiert. „Es gibt noch eine Chance auf politischen Konsens“, sagten deutsche Diplomaten.

Seit zwei Monaten sind die EU-Staaten in der Frage zerstritten. Großbritannien und Frankreich befürworten seither Waffenlieferungen an die gegen das Assad-Regime kämpfenden Rebellen. „Auf sie regnet jede Art von Waffen nieder, und die Welt verweigert ihnen das Recht auf Selbstverteidigung“, sagte Londons Minister William Hague in Brüssel, „ich weiß nicht, wie lang das weitergehen kann.“ Auf der anderen Seite lehnten Schweden, Tschechien und besonders Österreich ein Entgegenkommen ab. Er wolle „keinen Rüstungswettlauf“, sagte Spindelegger.

Am späten Abend drohte die Gemeinschaft zum wiederholten Male ein Bild außenpolitischer Uneinigkeit abzugeben – trotz des gewaltigen Termindrucks. Der rührt daher, dass das gesamte EU-Sanktionspaket inklusive der eingefrorenen Konten und der Einreiseverbote für Angehörige des Assad-Regimes ohne Verlängerung in der Nacht zum Samstag ausläuft. Und das wollten eigentlich auch die Vertreter beider Extrempositionen nicht – wobei ein Auslaufen des bisherigen Sanktionsregimes unmittelbar die von Paris und London geforderten Waffenlieferungen ermöglichen würde.

Am Ende führte eine deutsch-niederländische Initiative zumindest dazu, dass die Wirtschaftssanktionen wie ein Waffenembargo gegen das Assad-Regime gemeinsam fortgeführt werden. „Es stand bis zu spätester Stunde spitz auf knopf“, sagte Westerwelle, doch sei es „doch noch gelungen, zu einem gemeinsamen politischen Ergebnis zu kommen“. Das betrifft angesichts dessen, dass man sich nicht auf eine Verlängerung des bestehenden Sanktionsregimes einigen konnte, die Aufrechterhaltung der Strafmaßnahmen etwa im Öl- und Finanzsektor. Das EU-Waffenembargo gegenüber der Opposition läuft damit aus. (mit dpa, AFP)

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