Führungsstreit zwischen Seehofer und Söder: Die CSU übt die Kunst der Pause
Horst Seehofer verordnet der Personaldiskussion in der CSU eine Pause. In der Zeit will der Parteichef Gespräche führen und eine Zukunftslösung erarbeiten.
Manchmal erzählen Pausen mehr als alle Worte. Am späten Donnerstagabend steht Markus Söder in München vor einer ZDF-Fernsehkamera. Der Mann, der Horst Seehofer beerben will, hat dem „Heute Journal“ mit vielen schnellen Worten die jüngste Volte im CSU-Diadochenkampf erläutert, vom „gemeinsamen Prozess“ gesprochen und von Geschlossenheit und dass man gut noch einige Tage warten könne, denn: „Es ist keine gespaltene Partei.“
Nun will es Moderatorin Marietta Slomka aber doch genauer wissen: Die CSU – nicht gespalten?! Söder lauscht dem Hörer in seinem Ohr. Durch den Draht von Mainz bis München braucht die Frage ein bisschen. Aber so lange, wie Söder lauscht, braucht sie nicht. Noch eine Sekunde. Noch eine. Dann sagt er: „Genau.“
Das glaubt natürlich weder er selbst noch sonst jemand. Auch Slomka hakt nach. Aber wenn Söder nichts sagen will, will er nicht. Er hat das seit Jahren geübt, da wird er nicht den letzten Akt vermasseln. Zumal keiner weiß, ob wirklich zum letzte Akt geläutet ist. Denn auch Seehofer beherrscht die Kunst der Pause.
Gerade hat der Vorsitzende der Partei die nächste verordnet. Auf zehn Tage ist sie angesetzt – falls er nicht in Berlin zu oft gebraucht wird. In der Zeit will Seehofer im Gespräch mit allen, die wichtig sind in der Partei, eine „Zukunftslösung“ erarbeiten. Die solle, sagt er am Abend, „befriedend“ sein, ein vielfältig auslegbares Adjektiv, das aber zumindest erkennen lässt, dass der Parteichef die Sache mit der Spaltung anders sieht als Söder.
Aber im Wortspielen nehmen sich Seehofer und sein Rivale nichts. Seehofer war am Abend in den Parteivorstand mit der Ansage gegangen, danach werde alles „klar“ sein. Klar ist indes nur, dass er dort über seine eigenen Zukunftspläne kein Wort gesagt hat. Auch Seehofer kann beharrlich schweigen, wenn er will.
Die CSU sondiert jetzt erstmal mit sich selber
Sein Plan zur Sondierung der CSU mit sich selbst wurde trotzdem, sagt ein Teilnehmer, „allgemein gut geheißen“. Dahinter steckt bei vielen die Hoffnung, dass sich bis zum angepeilten 4. Dezember in Berlin die Dinge klarer abzeichnen und die CSU dann freier ihre Zukunft entscheiden kann. Zum Parteitag am 15. und 16. Dezember in Nürnberg muss ja zumindest ein Parteichef zur Wahl stehen.
In Frage kämen viele, CSU-Vize Manfred Weber zählt die bekannten Kandidaten am Freitag noch mal auf, sich selbst insofern eingeschlossen, als auch er dazu schweigt. Weber findet nur, gebraucht werde eine „breite Formation“. Ex-Parteichef Erwin Huber findet es überhaupt nicht klar, dass Söder dazu gehören muss. Söder findet, dass doch: Die Partei wünsche sich, „sehr sehnlich, dass Horst Seehofer und ich einen gemeinsamen Weg finden“, fügt aber im Sinne der wieder allseits beschworenen Geschlossenheit an: „Mit anderen zusammen.“
Seehofer selbst hat sich als Reisebegleiter ein Seniorentrio ausgesucht. Die Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel sowie Landtagspräsidentin Barbara Stamm sollen ihm sekundieren. Waigel und Stamm gelten als Söder-Skeptiker, bei Stoiber weiß man’s nicht genau. Aber eigentlich sollen alte Vorlieben keine Rolle mehr spielen. Das Trio der grauen Eminenzen könnte dann gesichtswahrende Rückzüge erleichtern. Denn allen ist klar, und zwar diesmal im Wortsinn: Wenn das Theater weiter geht, wendet sich das Publikum ab.
Noch kann sich in der CSU niemand vorstellen, dass die ewige Staatspartei bei der Landtagswahl wirklich so schlecht rauskommt wie bei der Bundestagswahl. Aber den Einbruch am 24. September hat vorher auch keiner für möglich gehalten. Dass sie in einem Dreivierteljahr erneut für eine absolute Mehrheit gut ist, kann die CSU bisher höchstens vage hoffen.
Söders Gegner aber stehen vor einem Dilemma. Geben sie ihm seufzend, was er will, hat jeder künftige Parteichef einen Ministerpräsidenten Söder im Nacken. Verbauen sie ihm weiter den Weg in die Staatskanzlei, bleibt er der Unruheherd. Man darf neugierig sein, wie Seehofer und der Ältestenrat die Vokabel „befriedend“ verstehen.