zum Hauptinhalt
Friedrich Merz (alle CDU,l-r), Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn stehen nebeneinander auf der Bühne und halten Zettel für die Reihenfolge der Vorstellung in der Hand.
© Carsten Rehder/dpa

Kandidatur um Parteivorsitz: Die CDU auf der Suche nach Führung - und sich selbst

Nach der Roadshow der Kandidaten für den Parteivorsitz bleibt der alte Eindruck: Mit dieser CDU ist im Grunde alles verhandelbar. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Die CDU auf dem Weg – ja, wohin? Die Frage stellt sich auch nach den Regionalkonferenzen, der Roadshow der Kandidaten für den Vorsitz. Denn wissen wir Bürger oder weiß die geneigte christdemokratische Wählerschaft, weiß der einzelne CDUler jetzt genau, wer wofür steht? Nicht wesentlich genauer, als hätte er oder sie die jeweiligen Positionen der aussichtsreichsten drei, also Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn, vorher gegoogelt. Das reicht aber nicht, um es einen wirklichen und nicht nur atmosphärischen Aufbruch nennen zu können.

Zumal die inhaltliche Positionierung das Eigentliche, Wesentliche sein sollte. Was ist heute konservativ? Mehr noch: Was ist der Konservativismus von morgen? Hat er eine Zukunft, und wenn ja, mit welchen Positionen? Sich gegen das Gestern abzugrenzen, also gegen die Ehe für alle (Kramp), oder für eine den Unternehmen zugewandte Wirtschafts- und Finanzpolitik auszusprechen (Merz), ist da logischerweise nicht genug. Und nur die Behauptung, jetzt der Generationenwechsel in Person zu sein (Spahn), ist auch noch kein Programm. Kein Trost findet sich darüber hinaus darin, dass in anderen Parteien Konservativismus zu wachsen scheint, beispielsweise bei den Grünen mit Winfried Kretschmann.

So gesehen ist der Prozess der CDU-Selbstfindung zwar insofern eine Attraktion, als solche Wettbewerbe immer auch etwas von einem politischen Beauty Contest an sich haben. Da will man schon wissen, wer gewinnt. Doch bleibt der alte Eindruck: Mit dieser CDU ist, egal bei welchem Kandidaten, im Grunde alles verhandelbar. Geht es um die Macht, ist keine Position unverrückbar. Nicht einmal Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes.

Es geht nicht um autoritäres Gehabe, sondern um inhaltliche Autorität

Das Programm nach 18 Jahren Angela Merkel im Parteivorsitz lautet: „Wir regeln das.“ Wie, das muss keiner so ganz genau wissen. Der Weg wurde entsprechend nie so recht beschrieben. Auf diese Weise aber hat die Partei, einst von Heiner Geißler auf Inhalte getrimmt, im Laufe der Jahre viel verloren, an Prozentpunkten und Haltung. Dabei geht es, wohlgemerkt, nicht um autoritäres Gehabe, sondern um inhaltliche Autorität. Das wäre eine, die der CDU über die Zeit nach Merkel hilft.

Nun mag man beklagen, dass Merkel diese Autorität so lange hat vermissen lassen, bis sie keiner mehr erwartete. Aber auch die anderen haben die Kriterien und Kategorien ihres Handelns nicht so deutlich gemacht, dass sie jenseits ihres Milieus oder Mandats Wirkung entfalten. Das hat auf die gesamte Gesellschaft ausgestrahlt. Wie gesagt: Das ist nicht allein Merkels Schuld oder Versäumnis. Immerhin gab es andererseits eine Chance, ein inhaltliches Vakuum, das gefüllt werden wollte. Es gab die Leere anstelle einer mit entsprechender Autorität ausgestatteten übergeordneten Instanz. Doch wurde das von den Vielen nicht als Aufruf begriffen, die Leere dann halt selbst zu füllen.

Namentlich in der CDU tauchte stattdessen die Sehnsucht auf nach einem, der diese Sache regelt. Der die vakante Verantwortung übernimmt, sie dem Einzelnen abnimmt, am liebsten ethisch grundiert, gesellschaftspolitisch reflektiert, wertebewusst. Wie ein guter Tyrann. Daher kommt die Enttäuschung über das Gegenwärtige in der CDU. So funktioniert das nicht: Nur einfach aufzubrechen, weil einer das sagt, ohne Wegbeschreibung, führt in die Irre.

Zur Startseite