Völkermord an Armeniern: Die Bundesregierung muss klare Worte sprechen
Die Bundesregierung will glauben machen, Historiker müssten beurteilen, ob die Verbrechen des Osmanischen Reichs an den Armeniern Völkermord waren, oder nicht. Das ist unangemessen. Sie muss sich eindeutig erklären. Ein Kommentar.
Diplomatie ist nicht nur die Kunst des ziselierten Wortes. Bei manchem ist absolute Klarheit geboten. Wie im Fall des Völkermords an den Armeniern. Jawohl, Völkermord!
Denn das ist, was vor 100 Jahren geschah: Im Osmanischen Reich wurden auf Befehl der Regierung mehr als eine Million Armenier deportiert, sie wurden ermordet oder verhungerten und verdursteten in der Wüste. Es brauchte eigentlich weiß Gott nicht erst den Papst, das einen Genozid zu nennen. Recht hat er. Und nicht er allein. Vor Franziskus haben Frankreich, Italien, Polen und viele Länder mehr dazu klare Worte gefunden. Manche, darunter Griechenland, stellen die Leugnung des Genozids sogar unter Strafe.
Deutsche Offiziere waren Mitwisser, waren Mittäter. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, hat dieser Tage darauf hingewiesen. Es wird doch nur zu gern verdrängt, dass Adolf Hitler diesen Völkermord zum Vorbild für die Vernichtung der Juden genommen hat. Wie schrecklich, dass Schuster daran erinnern muss, in diesem Jahr, 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, von Buchenwald.
Darum ist es Zeit, dass sich die Türkei, ja doch, und wir Deutsche uns unserer Verantwortung stellen. Am 24. April, dem Gedenktag, ist im Bundestag die Gelegenheit dazu: zu absoluter Klarheit. Am besten in einer Regierungserklärung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Das wäre angemessen. Nicht angemessen ist, wenn die Regierung erklärt, wie gerade geschehen, dass das Urteil über dieses Verbrechen Historikern vorbehalten sein sollte. Was ohnedies schon eine gewagte These ist. Politiker entscheiden zuweilen schon Historisches und auch über ihre Haltung zu Historischem.
Erschreckende Einstellung zu historischem Unrecht
Dass die Türkei in diesem Fall geradezu eine internationale Verschwörung gegen sich wittert, zeigt eine erstaunliche, genauer: eine erschreckende Einstellung zu historischem Unrecht und der Notwendigkeit seiner Aufarbeitung. Subjektive Reinigung eines Geschichtsbildes darf ihr nicht gestattet werden. Das wäre falsche Rücksichtnahme. Wo doch nur der, der sich seiner Vergangenheit stellt, eine gute Zukunft erringen kann. Das ist eine andere Form von politischer Hygiene – und zwingend, wenn die Türkei immer noch im modernen Europa ankommen will.
Was wiederum zurückführt zum Anspruch an Deutschland. Wie gut, dass die Union das Thema noch einmal mitnimmt in die koalitionären Beratungen. Nicht weil es der Opposition, weil es Linken und Grünen unerwünschte Angriffsflächen bietet, das wäre bloß taktisch, sondern weil sich tatsächlich keiner mit dieser seltsam unentschlossenen Haltung zufriedengeben sollte. Dazu ein Beispiel, eines, das die Bundesregierung durchaus desavouieren kann: Zu den Gedenkfeiern am 24. April in Eriwan kommt für Frankreich Staatspräsident François Hollande – Deutschland soll nur von einem Staatsminister aus dem Auswärtigen Amt vertreten werden? Das kann nicht das letzte Wort sein.
Am Vorabend gibt es einen ökumenischen Gottesdienst in Berlin. Möglicherweise wird Bundespräsident Joachim Gauck den Völkermord beim Namen nennen. Das Staatsoberhaupt spricht in unser aller Namen. Es wäre unwürdig, wenn sich Bundesregierung und Bundestag ihm nicht anschließen wollten.
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