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Randalierer bei der Arbeit im Hamburger Schanzenviertel bei den G-20-Protesten
© Markus Scholz / dpa

G-20-Krawalle: Die Bilder dienen der Tätersuche - aber auch den Zielen der Politik

Der Ausnahmegewalt der G-20-Krawalle folgt eine Ausnahmefahndung der Hamburger Polizei - das ist nicht zu beanstanden. Trotzdem bleibt das Gefühl, im falschen Film zu sitzen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Hamburgs Polizei zieht noch einmal in die Schlacht. Zehntausende Fotos und Videos von den G-20-Krawallen im Juli hat sie ausgewertet und als „Bildergalerie“ ins Internet gestellt. Das Material stammt von der Polizei selbst, von Anwohnern, von Mitdemonstranten; sogar Redaktionen haben zugeliefert. Ein öffentlicher Fahndungsaufruf ohne Beispiel. Ohne Beispiel ist auch die Reaktion darauf. Linksautonome stellen Bilder von Berliner Polizisten ins Netz, die an Häuserräumungen beteiligt gewesen sein sollen. Man bittet um Namen und Anschrift, um den Beamten die Hölle heiß zu machen.

Wer Steine auf Köpfe schleudert, ist ein Verbrecher

Es ist, wie es immer ist im Ritual des Rechtsstaats mit linker Gewalt. Druck erzeugt Gegendruck. Wer nachgibt, zeigt Schwäche. Dennoch sollte klar sein, dass die Polizei hier ihrer Pflicht nachkommt, Straftaten zu verfolgen. Dass nach Ausnahmegewalt zur Ausnahmefahndung aufgerufen wird, ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um Schwerkriminalität. Wer Pflastersteine auf Menschenköpfe schleudert, ist ein Verbrecher. Die Bilder wurden auf ihren Zweck hin beschnitten, Unbeteiligte sind verpixelt. Dass erst nach Monaten zu dieser Maßnahme gegriffen wurde, belegt, dass sich andere Mittel erschöpft haben müssen.

Trotzdem bleibt das Gefühl, im falschen Film zu sitzen. Es hängt wohl auch damit zusammen, dass die Polizei ihrer Foto-Fahndung eindrucksvolle Tatortvideos voranstellt, die zwar viele Taten, jedoch eher selten Täter erkennen lassen. Das mag seinen guten Sinn haben, um möglichen Zeugen Orientierung im Geschehen zu vermitteln. Aber die Bewegtbilder samt dramatischer O-Töne („bloß weg hier“) sprechen eine klare Sprache: Polizei gut, Demonstranten böse. Damit dienen sie neben der Fahndung, ob gewollt oder ungewollt, unverkennbar auch anderen Zielen, darunter denen der Politik.

Amtliche Regisseure erschließen neue Perspektiven

Ein Nebeneffekt, der Beachtung verdient, denn er lässt amtliche Strafverfolgung und polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit stetig ineinanderfließen. Die Behörden haben sich in den vergangenen Jahren professionalisiert. Pressemitteilungen mit ironischem Touch ergänzen pointierte Interviews geschulter Sprecher und deren schmissige Tweets im Internet. Man fragt sich, warum zu Demos nicht gleich ein Beamten-Team entsandt wird, das sendefähige TV-Beiträge produziert. Wenn Beamte dereinst mit Bodycams zu Kameraleuten aufgerüstet werden, wird dies den amtlichen Regisseuren neue Perspektiven erschließen. Hauptsache, der Datenschutz bleibt gewahrt.

Viel mehr andere Vorschriften gibt es nämlich nicht. Der Staat ist ziemlich frei darin, was er auf welchen Wegen kommunizieren will. Er erfindet ständig neue Angebote und erschließt neue Kanäle, auf denen er ungefiltert seine Leistungen preist. Sogar das Bundesverfassungsgericht ist schon auf Twitter.

Die Presse hat es schwer, gegenzuhalten

Unabhängige Medien haben es zunehmend schwer, gegenzuhalten. In Sachen Verbrechensbekämpfung hält der Staat ein Informationsmonopol, während die Medien selbst um ein schwindendes Publikum kämpfen. So erklärt sich auch der Widerstand einiger Redaktionen, der Polizei etwas von den eigenen Aufnahmen abgeben zu wollen. Es sind Reste von Stolz.

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