Beisetzung von George Floyd: „Die Bewegung wird nicht ruhen, bis wir Gerechtigkeit bekommen“
Der emotionale Abschied von George Floyd wird begleitet von Appellen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Seine Nichte fragt: „Wann war Amerika jemals großartig?“
Mit flammenden Aufrufen gegen Rassismus und Polizeigewalt haben Angehörige und Ehrengäste bei der Trauerfeier für George Floyd Abschied von dem getöteten Afroamerikaner genommen.
Nach der emotionalen Zeremonie in einer Kirche in Houston im US-Bundesstaat Texas, die live übertragen wurde, erfolgte die Beisetzung von Floyd in der Nachbarstadt Pearland im Privaten. Der Sarg wurde auf der letzten Meile in einer weißen Pferdekutsche transportiert. Das Eintreffen des Trauerzugs am Friedhof verfolgten zahlreiche Menschen am Straßenrand.
„Wenn wir dich heute zur Ruhe legen, wird die Bewegung nicht ruhen, bis wir Gerechtigkeit bekommen. Bis wir einen Standard an Gerechtigkeit haben“, sagte der prominente Bürgerrechtler Al Sharpton bei der Trauerfeier vor Angehörigen, Freunden und anderen Gästen. „Wir werden weiter kämpfen.“ Er forderte, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden. „Bis wir wissen, dass der Preis für ein schwarzes Leben derselbe ist wie der Preis für ein weißes Leben, werden wir diese Situationen immer und immer wieder erleben.“
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Sharpton erhob Vorwürfe gegen den US-Präsidenten. „Er hat China wegen der Menschenrechte angegriffen“, sagte er. „Was ist mit dem Menschenrecht von George Floyd?“ Sharpton kritisierte, Trump drohe mit dem Einsatz des Militärs gegen die Proteste infolge von Floyds Tod, „aber er spricht nicht ein Wort über acht Minuten und 46 Sekunden“. Solange hatte ein weißer Polizist in Minneapolis sein Knie in den Nacken Floyds gedrückt, der daraufhin gestorben war.
„Dein Land wird deinen Namen immer erinnern“, sagte Sharpton. „Denn dein Hals war einer, der alle von uns repräsentiert hat, und wie du gelitten hast, stand für unser Leid.“
Joe Biden meldet sich per Videobotschaft
Der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden rief in einer in der Kirche übertragenen Videobotschaft zur Überwindung von Rassismus auf. Amerika habe keine andere Wahl, als es in Zukunft besser zu machen. „Wir können die Wunden dieser Nation heilen“, sagte Biden.
Zu viele Schwarze in den USA „wachen auf und wissen, dass sie ihr Leben verlieren können, indem sie einfach ihr Leben leben“, beklagte Biden. „Wenn George Floyd Gerechtigkeit erfährt, werden wir wirklich auf unserem Weg zur Rassengerechtigkeit in Amerika sein.“
Der Ex-US-Vizepräsident war am Tag vor der Beisetzung persönlich nach Houston gereist, um Familienangehörige von Floyd zu treffen, darunter dessen sechs Jahre alte Tochter Gianna. Für seine Videobotschaft bekam er von der Trauergemeinde viel Applaus.
„Wir werden atmen“
Bereits am Montag waren Tausende zu Floyds aufgebahrtem Leichnam in die Kirche in Houston geströmt, um Abschied von ihm zu nehmen. Floyd war in der texanischen Metropole aufgewachsen. Auf der Bühne standen während der Trauerfeier zwei Bilder Floyds, die ihn mit Engelsflügeln und einem Heiligenschein zeigten.
Ein Künstler malte während der von Gospel-Musik begleiteten Zeremonie ein weiteres Porträt von ihm. Als der Sarg aus der Kirche getragen wurde, reckten viele der Anwesenden ihre Faust als Zeichen des Kampfes gegen Rassismus in die Höhe. Außerhalb der Kirche waren Plakate zu sehen mit der Aufschrift: „We will breathe“ („Wir werden atmen“) - in Anlehnung an Floyds Worte vor seinem Tod. Er hatte gesagt: „I can't breathe.“
Floyds Nichte Brooke Williams sagte beim Gottesdienst: „Keine Hassverbrechen mehr, bitte. Jemand hat gesagt: „Make America Great Again“. Aber wann war Amerika jemals großartig?“ „Amerika wieder großartig machen“ war Donald Trumps zentraler Wahlkampfslogan 2016.
Trump als Präsident für „Recht und Ordnung“
Präsident Trump versucht dagegen, sich den Amerikanern als „Präsident für Recht und Ordnung“ zu präsentieren. Das waren seine Worte am Montag vergangener Woche, als seine Regierung gewaltsam Demonstranten von einem Platz vor dem Weißen Haus vertreiben ließ. Die landesweite Debatte über Polizeigewalt und Rassismus versucht er für seine Zwecke zu nutzen und wirft den „radikalen linken Demokraten“ vor, diese wollten den Sicherheitsbehörden die Finanzen entziehen und die Polizei „abschaffen“.
Tatsächlich finden Forderungen nach einem „Defunding“ der Polizei und einer Umwidmung der Gelder für soziale Projekte zunehmend Widerhall bei den landesweiten Protesten. Unter anderem die großen Polizeien in Los Angeles und New York können sich nach Ankündigung der örtlichen Bürgermeister auf Einschnitte einstellen. Doch weder Biden noch die Demokraten im Kongress wollen die Polizei die Mittel entziehen oder diese sogar auflösen. Sie verlangen Reformen gegen Polizeigewalt.
Gewalt trifft besonders häufig Schwarze
Diese Gewalt trifft überproportional häufig Schwarze, wie aus Zahlen der „Washington Post“ hervorgeht. Das ist nicht der einzige Beleg dafür, dass die USA systematischen Rassismus noch lange nicht überwunden haben. Schwarze werden Studien zufolge häufiger von der Polizei kontrolliert und werden bei gleichen Straftaten zu höheren Haftstrafen als Weiße verurteilt.
Schwarze stellen mehr als ein Drittel aller Häftlinge in US-Gefängnissen, obwohl sie nur 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Nicht nur im Bereich der Justiz sind Afroamerikaner benachteiligt gegenüber Weißen: Das gilt beispielsweise auch auf dem Arbeitsmarkt und beim Einkommen.
Die Wut über diese Verhältnisse bricht sich nun auf der Straße Bahn. Immer mehr Kritiker werfen Trump vor, das Land inmitten der Proteste zu spalten - darunter auch Trumps Ex-Verteidigungsminister James Mattis und sein früherer Stabschef John Kelly. Auch viele Bürger folgen dem Kurs des Staatsoberhauptes neuen Umfragen zufolge nicht. Seine Zustimmung sinkt, das Verständnis für friedliche Proteste ist demnach hoch.
Trump will in Dallas Wahlkampfspenden sammeln
Trump dürfte es am liebsten sein, wenn die Demonstrationen nach Floyds Beisetzung schnell wieder abebben und der Druck auf ihn wieder nachlässt. Die Demokraten wollen genau das verhindern - sie hoffen für ihre Reformen und strukturellen Änderungen auf die Unterstützung von der Straße.
Am Donnerstag will der Präsident selbst nach Texas reisen - aber nicht, um Floyds Familie persönlich seine Anteilnahme auszudrücken. In Dallas will er ein Essen veranstalten, um Spenden für seine Wiederwahl im November einzusammeln. Laut „Dallas Morning News“ kostet die Teilnahme pro Paar mehr als 500.000 Euro.
Am Tag der Trauerfeier in Houston machte Trump indessen Schlagzeilen mit einer Verschwörungstheorie, dass ein 75-Jähriger, der von der Polizei bei einer Demonstration geschubst und verletzt wurde, ein linker Provokateur sein könnte. (dpa)