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Gemeinsam mit anderen Flüchtlingen wartet ein Junge im griechischen Idomeni auf eine Weiterreise nach Mazedonien.
© REUTERS

Europas Flüchtlingspolitik: Die Außengrenze ist das neue Mantra

Europas Staatenlenker setzen auf den Schutz der EU-Außengrenzen. Gleichzeitig wollen Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn die Grenzen im Norden Griechenlands schärfer kontrollieren.

In der europäischen Flüchtlingspolitik wird derzeit auf vielen verschiedenen Baustellen gleichzeitig gewerkelt. Diesen Eindruck konnte man am Freitag jedenfalls angesichts der Besuchsdiplomatie in der Europäischen Union bekommen. In Berlin empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den italienischen Regierungschef Matteo Renzi, und in Sofia traf Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban seinen bulgarischen Amtskollegen Boiko Borissow. Bei beiden Begegnungen wurde deutlich, dass eine mögliche gemeinsame EU-Flüchtlingsstrategie bislang nur wenige Ergebnisse zeitigt. Ein Überblick.

Zusammenarbeit mit der Türkei

Die EU-Staaten wollen die Türkei insgesamt mit drei Milliarden Euro bei der Flüchtlingshilfe unterstützen. Die Hilfsmilliarden sind aber bislang noch nicht Richtung Ankara geflossen, weil der italienische Beitrag in Höhe von 300 Millionen Euro fehlt. Renzi machte am Freitag in Berlin eine Freigabe der noch ausstehenden Millionenhilfen für die Türkei von einem Einlenken der EU-Kommission im Streit um die Auslegung der EU-Haushaltsregeln abhängig. „Flexibilität ist notwendig“, sagte er nach dem Treffen mit Merkel mit Blick auf das italienische Haushaltsdefizit. Der Streit zwischen Brüssel und Rom dreht sich darum, dass Renzis Regierung für 2016 zunächst von einem Defizit von 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausgegangen war, aber inzwischen mit 2,4 Prozent rechnet.

Renzi wies in Berlin darauf hin, dass Italien sich bereits im vergangenen November grundsätzlich dazu bereit erklärt habe, einen Beitrag im Rahmen eines Drei-Milliarden-Euro-Pakets für die Türkei zu leisten. Es bestehe „kein Zweifel“, dass Rom die Zusage einhalten werde. Renzi setzt darauf, dass es noch vor der internationalen Syrien-Geberkonferenz am kommenden Donnerstag in London eine Einigung mit der Kommission geben wird.

Schutz der Grenzen von EU-Ländern

Der Schutz der europäischen Außengrenzen genießt mittlerweile bei allen Beteiligten höchste Priorität – auch bei Kanzlerin Merkel. Ihr Sprecher Steffen Seibert hatte in dieser Woche noch einmal an die Türkei und Griechenland appelliert, mehr zur Bekämpfung der Schlepper in der Ägäis zu unternehmen. Und auch Italiens Regierungschef Renzi fand bei seinem Besuch im Kanzleramt deutliche Worte. Diejenigen, die den Migranten die Überfahrt im Mittelmeer ermöglichten, seien keine Schlepper, „sondern Sklavenhalter“, sagte er.

In vorderster Front steht beim Schutz der EU-Außengrenzen Griechenland. Laut einem von der EU-Kommission am Mittwoch vorgestellten Bericht hat Griechenland nun drei Monate Zeit, um die Mängel bei der Grenzsicherung abzustellen. Anderenfalls sollen Staaten wie Deutschland und Österreich die Möglichkeit bekommen, die bereits bestehenden vorübergehenden Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums weiter zu verlängern.

Auf EU-Ebene soll bis zum kommenden Juni nach dem Willen von Merkel und Co. ein Beschluss über den Aufbau eines europäischen Grenz- und Küstenschutzes gefasst werden, der Griechenland notfalls auch gegen den Willen Athens bei den Patrouillen in der Ägäis unterstützen könnte. Aber gleichzeitig suchen einige EU-Staaten bereits nach Alternativlösungen. Auf diesem Wege soll sichergestellt werden, dass unabhängig von Griechenland weniger Wirtschaftsflüchtlinge – zum Beispiel aus dem Maghreb – über die Balkanroute weiter Richtung Norden gelangen.

So planen die vier Staaten der Visegrad-Gruppe – also Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn – am 15. Februar ein Treffen in Prag. In den vier Staaten wird darüber nachgedacht, ob sich der Zustrom der Flüchtlinge durch striktere Kontrollen an der griechisch-mazedonischen und der griechisch-bulgarischen Grenze besser kanalisieren lassen könnte. Der ungarische Regierungschef Orban setzt darauf, dass die bulgarischen Behörden künftig noch mehr aus Griechenland kommende Flüchtlinge zurückweisen als bisher. Dies wurde am Freitag beim Besuch Orbans in Sofia deutlich. Nach der Begegnung mit seinem bulgarischen Amtskollegen Borissow lobte der Gast aus Budapest, dass Bulgarien in der Flüchtlingskrise „die besten Ergebnisse“ vorweisen könne. Borissow forderte seinerseits, dass die EU-Außengrenzen „unverzüglich“ geschlossen werden sollten. Bulgarien verfügt über eine 240 Kilometer lange Landesgrenze zur Türkei, die gleichzeitig auch eine EU-Außengrenze ist. Dort existiert bereits ein 30 Kilometer langer Grenzzaun, der derzeit verlängert wird.

Umverteilung der Flüchtlinge

Nach gegenwärtigem Stand sind erst 414 der 160.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien, die in den nächsten zwei Jahren innerhalb der Europäischen Union eine neue Heimat finden sollen, tatsächlich umverteilt worden. Nach den Angaben des griechischen Migrationsministers Janis Mouzalas hat die schleppende Prozedur damit zu tun, dass die EU-Partner bei der Auswahl der Flüchtlinge sehr wählerisch seien. Andererseits trägt auch Athen eine Mitschuld daran, dass die Umverteilung nicht vorankommt. Denn als Voraussetzung gilt dabei der Aufbau der „Hotspots“, in denen die Schutzsuchenden zunächst registriert werden sollen. Nach den Worten des Athener Ministers Mouzalas sollen die fünf griechischen Hotspots nun bis Ende Februar fertig sein. Erst im Mai allerdings sollen die Registrierzentren komplett einsatzbereit sein.

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