Linkspartei: Die Ambitionen der Sahra Wagenknecht
Sahra Wagenknecht sagt, sie will nicht Vorsitzende der Linkspartei werden. Das muss aber nichts bedeuten.
Jähe Wendungen bleiben in der Linkspartei möglich: Trotz der Ansage der Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch, im kommenden Jahr für eine zweite Amtszeit zu kandidieren, kann auch Sahra Wagenknecht von Juni an neue Parteichefin werden. Davon jedenfalls gehen Genossen aus, die den Aufstieg Wagenknechts, in der PDS als Wortführerin der Kommunistischen Plattform nur eine Randfigur, beobachten – teils erstaunt, teils empört. „Was sie macht: Karrierismus statt Kommunismus“, begründet ein Bundestagsabgeordneter aus dem Reformerlager seine Meinung zu Wagenknechts Ambitionen. „Und das macht sie sehr klug.“
Dabei erklärt die 42-Jährige seit Wochen, dass sie am Amt der Parteivorsitzenden kein Interesse habe. Schon vor dem Programmparteitag der Linken im Oktober in Erfurt sagte sie dem Tagesspiegel: „Da müssten mich gewichtige Argumente überzeugen. Bis jetzt habe ich die noch nicht gehört.“ Nach Lötzschs Kandidatur-Ankündigung versicherte Wagenknecht im Gespräch mit einer Zeitung: „Ich werde definitiv nicht in eine Kampfkandidatur gegen Gesine Lötzsch gehen.“ Und einem anderen Blatt erläuterte die stellvertretende Parteivorsitzende: „Der Posten ist nicht mehr vakant.“
Vertraute Wagenknechts bestätigen zwar, dass sich die Politikerin, die am kommenden Dienstag zur Ersten Stellvertreterin von Gregor Gysi in der Bundestagsfraktion aufrücken soll, nicht nach dem Amt der Parteichefin drängt. „Dennoch kann es eine Entwicklung geben, in der sie sagt: Aus Pflichtgefühl trete ich an“, betont ein einflussreicher Parteifreund aus Nordrhein-Westfalen. Die Ost-West-Frage spielt bei Wagenknecht keine Rolle: Sie ist zwar in der DDR aufgewachsen, kandidierte aber in Nordrhein-Westfalen für den Bundestag und wird im Westen besonders geschätzt.
Als wenig wahrscheinlich gilt, dass auf dem Bundesparteitag im Juni in Göttingen eine weibliche Doppelspitze mit Lötzsch und Wagenknecht gewählt wird. Umgekehrt aber haben nicht wenige in der Partei Sympathie mit einer Führung, bei der die wichtigen Lager gleichberechtigt an der Spitze vertreten sind: Wagenknecht als Frontfrau des linken Flügels, die Reformer könnten den einstigen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, den sachsen-anhaltinischen Landesvorsitzenden Matthias Höhn oder den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich ins Rennen schicken. Gysi hatte bereits in Erfurt betont, dass er sich ein solches Modell mit „einer Reformerin und einem Radikalen oder umgekehrt“ gut vorstellen kann. Bei Siegen der Flügel gegeneinander werde die Partei scheitern. „Die Hauptblöcke so repräsentiert, das lässt sich in der Öffentlichkeit gut transportieren“, meint ein Spitzengenosse.
Das Unbehagen, die glücklose Führung – Co-Parteichef Klaus Ernst hat sich zu einer neuen Kandidatur bisher nicht festlegt – könnte in Göttingen bestätigt werden, ist in der Partei groß. Auch Ex-Parteichef Oskar Lafontaine ist längst nicht mehr froh über die Auftritte seiner Nachfolgerin, das Verhältnis von Gysi zu Lötzsch ist seit langem zerrüttet. Wagenknecht könnte also in der Linkspartei ein Problem lösen – alternativ zu ihr hat bisher keiner einen Namen parat.