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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Generaldebatte
© dpa/Kay Nietfeld

In Absprache mit den USA: Deutschland will der Ukraine Mehrfachraketenwerfer liefern

Bei der Generaldebatte moniert Oppositionsführer Merz das Zaudern des Kanzlers in der Ukraine-Politik. Der kontert mit Ankündigungen weiterer Waffenlieferungen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in der Generaldebatte des Bundestag der Ukraine die Lieferung eines modernen Flugabwehrsystems für den Kampf gegen die russischen Angreifer zugesagt. Außerdem werde den ukrainischen Streitkräften ein modernes Ortungsradar zur Verfügung gestellt, das Artillerie aufklären könne, sagte er.

Deutschland will der Ukraine darüber hinaus aus eigenen Beständen vier Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei-Wegmann schicken. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Regierungskreisen. Scholz hatte dies zuvor in seiner Bundestagsrede nicht explizit erwähnt, da eine entsprechende Verständigung mit den USA sehr kurzfristig zustande gekommen sei.

Die USA hatten bereits am Dienstag die Lieferung moderner Mehrfachraketenwerfer zur Verteidigung gegen den russischen Einmarsch angekündigt. Die Ukraine habe zugesichert, mit dem in den USA hergestellten Artilleriesystem Himars keine Ziele auf russischem Territorium anzugreifen, hieß es aus dem Weißen Haus. Ähnlich wie beim US-System soll auch bei den deutschen Raketenwerfern eine begrenzte Reichweite sichergestellt werden, damit die Ukraine nicht russisches Gebiet attackieren kann.

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Bei dem Luftabwehrsystem handelt es sich laut Scholz um Iris-T des Herstellers Diehl. Damit werde das modernste Flugabwehrsystem geliefert, über das Deutschland verfüge. „Damit versetzen wir die Ukraine in die Lage, eine ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen zu schützen“, sagte Scholz. Die Ukraine fordert seit langem die Lieferung von Flugabwehrsystemen, um sich gegen Angriffe von russischen Kampfflugzeugen, Hubschraubern, Raketen oder Drohnen schützen zu können.

Eine Luft-Luft-Rakete vom Typ IRIS-T (Archivbild von 2005)
Eine Luft-Luft-Rakete vom Typ IRIS-T (Archivbild von 2005)
© dpa/Bernd Wüstneck

„In den kommenden Wochen werden wir der Ukraine, eng abgestimmt mit den Niederländern, zwölf der modernsten Panzerhaubitzen der Welt liefern“, sagte Scholz weiter. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten daran werde in wenigen Tagen abgeschlossen sein.

Die Bundesregierung hatte unmittelbar nach Kriegsbeginn entschieden, erstmals deutsche Waffen in einen laufenden Krieg gegen eine Atommacht zu liefern. Bisher wurden unter anderem Panzerfäuste, Luftabwehrraketen und viele Millionen Schuss Munition geliefert.

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Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Wochen auch bereits zwei Zusagen für die Lieferung schwerer Waffen gemacht: Es sollen 50 Flugabwehr-Panzer vom Typ Gepard und 7 Panzerhaubitzen 2000 - moderne Artilleriegeschütze mit einer Reichweite von 40 Kilometern - in die Ukraine geliefert werden. Sie sind aber noch nicht dort angekommen. Die Opposition hat Scholz deswegen in den vergangenen Wochen immer wieder Zögerlichkeit vorgeworfen.

Merz sieht „richtig Verärgerung“ über Rolle Deutschlands

Oppositionsführer Friedrich Merz hatte zu Beginn der Generaldebatte Scholz mangelnde Unterstützung der Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs vorgehalten. Mehr als einen Monat nach einem entsprechenden Beschluss des Bundestags seien zugesagte schwere Waffen nicht geliefert worden, sagte der CDU-Chef. Wenn man sich in der Europäischen Union umhöre, gebe es mittlerweile nur noch Verstimmungen, Enttäuschungen und „richtig Verärgerung“ über die Rolle Deutschlands.

Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, in der Generaldebatte
Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, in der Generaldebatte
© dpa/Kay Nietfeld

Merz sagte an die Adresse von Scholz: „Sie reden in letzter Zeit etwas mehr als sonst, aber sie sagen unverändert nichts.“ Er kritisierte, dass Scholz formuliere, dass Russland den Krieg nicht gewinnen dürfe, statt einfach zu sagen: „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen.“ Der Kanzler telefoniere mit Russlands Präsident Wladimir Putin, habe aber keinen Gesprächstermin für den ukrainischen Parlamentspräsidenten, der nach Berlin komme.

Merz warf dem Kanzler vor, dass nach dessen Feststellung einer Zeitenwende durch Russlands Angriffskrieg konkrete Entscheidungen ausgeblieben seien. „Es gibt nichts, was Sie außer neuen Schulden mit diesem Wort „Zeitenwende“ ernsthaft verbinden.“ Der Unionsfraktionschef forderte Scholz auf, sich klar dazu zu positionieren, ob die Ukraine und das Nachbarland Moldau einen Kandidatenstatus für einen Beitritt zur Europäischen Union bekommen sollten.

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Scholz griff Merz anschließend in seiner Replik ungewöhnlich scharf an. Merz werde nicht damit durchkommen, immer nur Fragen zu stellen und sich niemals in einer Sache richtig zu positionieren, sagte der Kanzler. „Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und haben nichts Konkretes gesagt.“ Und wenn sich Merz mal in einer Sache positioniere, dann „wird's peinlich“, sagte Scholz.

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Inhaltlich kritisierte der Kanzler, Merz habe einen Soli, also eine Steuererhöhung für fast alle Bürger, vorgeschlagen, um die bessere Ausstattung der Bundeswehr zu bezahlen. „Was für ein merkwürdiger Einfall“, sagte Scholz.

Er betonte zudem, die schlechte Zeit für die Bundeswehr habe mit dem früheren Unions-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg begonnen, der viel Geld zusammengestrichen habe. Das habe Merz mit keinem Wort erwähnt. „Manchmal ist Sacharbeit wirklich eine nützliche Sache, Herr Merz“, betonte Scholz. (mit dpa)

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