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Versprochen - gebrochen: Deutschland verfehlt seine Klimaschutzzusagen. Das belastet erstmals den Bundeshaushalt.
© Oliver Berg/dpa

300 Millionen Euro: Deutschland verfehlt Klimaziele – und muss Strafe zahlen

Mangelnder Ehrgeiz, der teuer wird: Deutschland verfehlt seine Klimaziele und muss erstmals dafür zahlen. Die Bundesregierung hat bereits Mittel eingeplant.

Verfehlte Klimaziele belasten erstmals direkt den Bundeshaushalt. Die Bundesregierung rechnet damit, für das Überschreiten der EU-Klimaschutzvorgaben Hunderte Millionen Euro an andere EU-Mitgliedsländer zahlen zu müssen. Dies geht aus dem Kabinettsentwurf des Finanzplans 2019 bis 2023 hervor, der am Mittwoch von der Bundesregierung verabschiedet werden soll und dem Tagesspiegel-Background Energie&Klima vorliegt – mit Entwurfsdatum 18. März.

Konkret sind für die Jahre 2020 bis 2022 jeweils Ausgaben von 100 Millionen Euro vorgesehen, insgesamt also 300 Millionen Euro. Finanziert werden die Ausgaben nach Background-Informationen durch eine sogenannte Globale Minderausgabe. Das heißt: Alle Ressorts müssen sich nach einem festgelegten Verteilungssatz daran beteiligen. Die von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) angepeilte Verantwortung eines jeden Ressorts für Einsparungen im eigenen Bereich wäre noch nicht wirksam. Schulze sieht in ihrem Entwurf zu einem Klimaschutzgesetz vor, dass bei Planabweichungen von den Emissionsvorgaben die verantwortlichen Ministerien auch finanziell dafür geradestehen müssen.

Auslöser für die Einplanung der Mehrausgaben ist die EU-Lastenteilungsentscheidung. Diese EU-Vorgabe legt für jedes Land Grenzwerte für Emissionen fest, die nicht unter den europäischen Emissionshandel fallen, der Kraftwerke und größere Industrieanlagen umfasst. Das sind hauptsächlich der Verkehr, Gebäudeenergie, kleinere Fabriken und die Landwirtschaft. Zusammen machen sie gut die Hälfte der Gesamtemissionen aus. Deutschland wird seine Einsparziele in diesen Bereichen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verfehlen. Insgesamt sollen die Emissionen in diesem Bereich um 14 Prozent sinken zwischen 2005 und 2020. Bislang sind sie aber nahezu auf dem Niveau von 2005.

Werden die nationalen Ziele verfehlt, müssen laut den EU-Regularien Emissionsrechte (AEA) von Ländern, die ihre Vorgaben übererfüllen, erworben werden. Das nationale Konto kann bis zu zwei Jahre später ausgeglichen werden – die 300 Millionen Euro betreffen also die Emissionen der Jahre 2018 bis 2020.

2021 beginnt eine neue Regulierungsperiode, in der die Emissionsvorgaben noch deutlich strenger ausfallen. Für das erste Jahr dieser Periode traut sich die Bundesregierung offenbar noch keine Prognose über die Zusatzausgaben zu, die 2023 fällig werden.

Auch die 100 Millionen Euro jährlich sind nach Angaben eines Haushaltspolitikers allerdings keineswegs verlässlich geschätzt. Zum einen ist die genaue Höhe der Emissionsüberschreitung unklar. Zuletzt hatte das Öko-Institut für die Zeit bis 2020 (auszugleichen bis 2022) geschätzt, dass 114 Millionen AEA (je eine Tonne CO2-Äquivalent) fehlen könnten, wenn die Emissionen im Non-ETS-Bereich gleichblieben. Zum anderen ist der Kaufpreis unklar: Das Bundesumweltministerium und die Bundesregierung rechnen derzeit mit unter drei Euro pro Tonne. Dieser Kaufpreis ist allerdings der noch größere Unsicherheitsfaktor: Da europaweit Überschüsse bestehen, könnte er auch gegen Null tendieren.

Klar wird: Strafzahlungen sind nicht mehr nur eine theoretische Möglichkeit

Klar ist dagegen die politische Botschaft, die die Berücksichtigung in der Finanzplanung transportiert: Die Bundesregierung geht nicht mehr nur von einem theoretischen und abstrakten Risiko aus, sondern rechnet ab sofort mit einem konkreten finanziellen Schaden durch verfehlte Klimaziele und die entsprechenden EU-Vorgaben.

Weder Bundesumwelt- noch Finanzministerium wollten den Vorgang kommentieren. „Vor einer Kabinettsentscheidung äußern wir uns generell nicht“, sagte ein BMU-Sprecher. Ein Sprecher des Finanzressorts sagte, Scholz werde die Planung offiziell am Mittwoch vorstellen. „Davor werden wir uns nicht äußern.“

Der Beitrag erschien zuerst in unserem Entscheider-Briefing Tagesspiegel Background Energie & Klima.

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