Chinas Präsident diktiert die Bedingungen: Deutschland und Europa fehlen Wille und Durchsetzungskraft
Ob Sport oder die Abhängigkeit von Lieferketten in der Wirtschaft: Deutschland und Europa sind im Vergleich zu Asien ins Hintertreffen geraten. Ein Kommentar.
Das Ideal ist der friedliche Wettbewerb im gegenseitigen Respekt nach fest vereinbarten Regeln der Fairness. Menschen aus aller Welt kommen bei Olympischen Spielen zusammen, um sich in Spitzenleistungen zu messen.
Die Realität ist dem Ideal wohl nie so ganz gefolgt. 2022 ist die Diskrepanz besonders groß. Wird der olympische Friede eingehalten oder greift Wladimir Putin während der Spiele die Ukraine an? Und: Verdient Gastgeber China globalen Respekt? Teils ja, teils nein. Die Effizienz ist bewundernswert, vom Bau der Sportstätten bis zur Organisation der Wettbewerbe, zumal unter Pandemiebedingungen.
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China bricht jedoch viele Regeln des globalen Zusammenlebens, verfolgt Menschen in Tibet, steckt muslimische Uiguren zur „Umerziehung“ in Arbeitslager, unterdrückt die Demokratiebewegungen in Hongkong und der übrigen Volksrepublik, bedroht Nachbarn militärisch, darunter das unabhängige Taiwan.
Deshalb verweigern die meisten Demokratien Peking den gewünschten Respekt bei der Eröffnungsfeier. Die Sportler kommen, nicht aber Staatspräsidenten und Regierungschefs. Manche haben den Boykott offen erklärt wie die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Belgien, Dänemark. Andere diplomatisch verklausuliert wie Deutschland, Italien, Frankreich.
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Die Teilnehmerliste liest sich wie ein „Who is who“ der Diktaturen und autoritären Regime, die Menschenrechte und Bürgerbeteiligung nicht ernst nehmen: Ägypten, Kasachstan, Mongolei, Pakistan, Russland, Saudi Arabien. Viele der Machthaber haben blutige Hände. Was treibt wenige Europäer an, sich dazu zu gesellen wie Polens Präsident Andrzej Duda, Luxemburgs Großherzog Henri von Nassau, Prinz Albert von Monaco?
Die bizarre Gästeliste und die Lage im Gastland provozieren weitere Fragen: Warum überhaupt Winterspiele in China, warum zwei Mal in Folge Asien nach Pyeongchang, Südkorea 2018?
Eine Parabel auf Europas Bedeutungsverlust
Turnusmäßig wäre Europa dran gewesen. Die potenziellen Kandidaten wollten jedoch nicht; sie zweifeln am Rückhalt der Bürger. Von den Naturbedingungen her wären sie besser geeignet als das chinesische Bergland. Wasser und Schnee sind dort rar. Für die Wintersportkulisse in den Fernsehbildern musste ein Fantasialand aus Sportstätten, transplantierten Bäumen und Kunstschnee aus weit verzweigten Wasserpipelines geschaffen werden. Die Sportler erreichen es auf neuen Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge.
Es ist eine Welt aus Wille und Vorstellung. So bieten sich diese Winterspiele als Parabel auf die politischen und ökonomischen Machtverschiebungen um den Globus an. Auch da geraten Europa und seine größte Volkswirtschaft, Deutschland, ins Hintertreffen. Sie hielten sich lange für systemisch überlegen, agierten arrogant.
Abhängig von Asien bei den Lieferketten, von Russland beim Gas
In der Doppelkrise aus Pandemie und Wirtschaftseinbruch tritt zutage, wie abhängig sie sich gemacht haben: bei den Lieferketten für Chips, Grundstoffe für Arzneimittel, Schutzausrüstung und selbst Fahrrädern von Asien, bei der Energieversorgung von Russland.
Doch noch immer geht kein Ruck durch die Politik. Ob Berlin oder Brüssel, es fehlen der unbedingte Wille zum Erfolg und die Durchsetzungskraft, die Chinas Präsident Xi verkörpert. Sein Aufstieg an die Parteispitze hatte mit der erfolgreichen Organisation der Sommerspiele 2008 begonnen. Nun diktiert er europäischen und deutschen Konzernen die Bedingungen für Kooperation, wie Wladimir Putin es beim Erdgas versucht.
Europas Demokratien tun sich zunehmend schwer, im Alltag zu belegen, was sie gerne behaupten: dass ihr System aus regelbasierter Marktwirtschaft und Bürgerbeteiligung am Ende überlegen ist und die besseren Ergebnisse produziert. Sie müssen sich den Respekt, den sie China verweigern, selbst erst wieder verdienen.
Ob Sport oder Wirtschaft: Das Ideal des friedlichen Wettbewerbs im gegenseitigen Respekt nach fairen Regeln führt nur dann zu Spitzenleistungen, wenn Frieden, Regelwerk und Fairness von allen respektiert - oder bei Missachtung verlässlich durchgesetzt werden.