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Flieger aus Großbritannien dürfen in vielen europäischen Ländern derzeit nicht landen
© REUTERS/Simon Dawson/File Photo
Update

Wegen neuer Coronavirus-Mutation: Deutschland stellt Flugverkehr mit Großbritannien ab Mitternacht ein

In Großbritannien grassiert eine hochansteckende Corona-Variante. Etliche Länder haben bereits Landeverbote angekündigt. Berlin zieht nun nach.

Zum Schutz vor einer neuen Variante des Coronavirus werden Flüge aus Großbritannien nach Deutschland weitgehend gestoppt. Landungen von dort sind ab Mitternacht untersagt, wie aus einer Verfügung des Bundesverkehrsministeriums von Sonntag hervorgeht. Zunächst berichtete die „Bild“-Zeitung über entsprechende Pläne.

Ausgenommen sind reine Frachtflüge, Flüge mit medizinischem Personal oder wenn Jets nur mit Crews an Bord nach Deutschland zurückkehren. Die Bundesregierung plant in der neuen Woche daneben noch weitergehende Beschränkungen auch des Reiseverkehrs zu Südafrika.

Zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland und „zur Limitierung des Eintrages und der schnellen Verbreitung der neuen Virusvarianten“ sei ein sofortiges, befristetes Verbot für Flüge aus dem Vereinigten Königreich und Nordirland geboten, erläuterte das Verkehrsministerium in der Verordnung. Von dort seien Virus-Mutationen gemeldet worden, die in Deutschland noch nicht festgestellt worden seien.

Das Landeverbot gilt laut der Verfügung zunächst bis 31. Dezember. Hintergrund ist, dass sie sich für eine möglichst schnelle Umsetzung auf eine bestehende EU-Verordnung stützt - und Großbritannien nur noch bis zum Jahresende übergangsweise im EU-Binnenmarkt ist.

Weitergehende Beschränkungen sollen aber noch per Rechtsverordnung festgelegt werden, wie es in Regierungskreisen hieß. Dies erfordert einen etwas längeren Vorlauf - denn Verordnungen müssen erst im Bundesanzeiger verkündet werden, ehe sie in Kraft treten können. Gesundheitsminister Jens Spahn erläuterte, an diesem Montag sei geplant, mit einer Verordnung „den gesamten Reiseverkehr“ mit Großbritannien und Südafrika einzuschränken.

Spahn: Nehmen die Meldungen sehr ernst

Der CDU-Politiker sagte am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“, man nehme die Meldungen aus Großbritannien sehr ernst. „Die deutlich schnellere Übertragbarkeit, wie sie in diesem Fall vermutet wird, die würde natürlich viel verändern und deshalb ist es wichtig, den Eintrag nach Deutschland, auf Kontinentaleuropa zu unterbinden.“ Es sei wichtig, die Erkenntnisse über die Virusvariante zu verifizieren und zugleich vorausschauend zu agieren. Der Minister äußerte sich verwundert, dass wohl viele Deutsche Weihnachtsurlaub in Südafrika verbringen wollten. Er frage sich, ob diese Menschen die Botschaften nicht gehört hätten, nicht zu reisen und die Kontakte einzuschränken.

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Das Bundesinnenministerium wies die Bundespolizei an, Reisende aus Großbritannien und Südafrika ab sofort systematisch zu kontrollieren. Dies gilt mit Blick auf die korrekte Registrierung in der Digitalen Einreiseanmeldung, teilte ein Ministeriumssprecher am Sonntag in Berlin mit. Erforderliche Infektionsschutzmaßnahmen seien eng mit den örtlich zuständigen Gesundheitsämtern abzustimmen. Reisende müssten sich auf längere Wartezeiten an den Grenzen einstellen.

Spitzengespräch zwischen Berlin, Paris und Brüssel

Am Sonntagnachmittag erörterten Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen und Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, in einem Telefonat die Corona-Lage in England. Nach Angaben aus Elysée-Kreisen habe im Mittelpunkt der Gespräche ein gemeinsames Vorgehen angesichts der dort aufgetretenen neuen Variante des Coronavirus gestanden.

Die spanische Regierung fordert wegen der mutmaßlich ansteckenderen Variante des Virus ein koordiniertes Vorgehen der EU. Die ersten europäischen Länder reagierten am Morgen auf die Warnung aus Großbritannien und verhängten ein Landeverbot für Flugzeuge aus dem Königreich.

Nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin arbeitet die EU noch an einer gemeinsamen Entscheidung für den Straßen- und Seeverkehr mit Großbritannien. Medienberichten zufolge will sie Anfang der Woche über die komplette Einstellung des Personenverkehrs zwischen dem europäischen Festland und dem Vereinigten Königreich entscheiden. Waren sollen demnach allerdings weiter transportiert werden dürfen.

Niederlande ordnete zuerst Einschränkungen an

Die Niederlande waren die Ersten, die Erste Einschränkungen angeordnet hatten. Um eine Ausbreitung der Mutation zu verhindern, dürfen aus dem Königreich kommende Passagiermaschinen vorerst nicht mehr in den Niederlanden landen. Diese Regelung gelte von Sonntagmorgen bis zum 1. Januar, erklärte die Regierung in Den Haag.

Sie teilte zudem mit, dass ein Fall der neuen Mutation, die offenbar besonders ansteckend ist, auch in den Niederlanden entdeckt wurde. Die nationale Gesundheitsbehörde habe empfohlen, „das Eindringen dieser Virusvariante aus Großbritannien so weit wie möglich zu verhindern“. Deshalb habe das Kabinett von Regierungschef Mark Rutte „vorsichtshalber“ das Verbot von Flügen aus Großbritannien beschlossen. Mögliche Regeln für andere Verkehrswege würden derzeit überprüft, erklärte das Gesundheitsministerium weiter.

Niederlande entdeckte Anfang Dezember einen Fall

Zu dem in den Niederlanden aufgetretenen Corona-Fall mit der neuen Mutation erklärte das Ministerium, dieser sei Anfang Dezember entdeckt worden. Es handele sich ersten Ergebnissen zufolge um "die in Großbritannien beschriebene Variante". Experten überprüften derzeit, wie es zu dieser Infektion gekommen sei und ob es damit zusammenhängende Fälle gebe.

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Auch Belgien reagierte am Sonntagvormittag umgehend und kappte seine Verkehrsverbindungen zum Vereinigten Königreich. Flüge und Zugverbindungen aus Großbritannien würden ab Mitternacht gestoppt, kündigte ein Regierungsvertreter in Brüssel an. Regierungschef Alexander De Croo sagte im Fernsehsender VRT, die Aussetzung der Flug- und Zugverbindungen werde für mindestens 24 Stunden gelten.

Frankreich verhängte am Sonntagabend ebenfalls ein Verbot von Flügen aus Großbritannien. Die Regelung gelte ab Mitternacht zunächst bis zum 31. Dezember. Darüber hinaus wird für 48 Stunden der gesamte Personenverkehr aus Großbritannien gestoppt. Ab Sonntag um Mitternacht wird der Straßen-, Schienen-, See- und Luftverkehr aus dem Vereinigten Königreich eingestellt, wie die Regierung nach einer Krisensitzung am Sonntagabend mitteilte. Betroffen sind demnach auch Gütertransporte mit einem Fahrer.

Auch Italien will die Flugverbindungen mit Großbritannien aussetzen. „Das Vereinigte Königreich hat wegen einer neuen Form von Covid Alarm geschlagen, die das Ergebnis einer Virus-Mutation sein könnte“, schrieb der italienische Außenminister, Luigi Di Maio, auf Facebook. Als Regierung müsse man die Italiener schützen, und deshalb sei man dabei, eine Anordnung zu unterzeichnen, um Flüge mit Großbritannien auszusetzen, teilte er weiter mit.

Am Sonntagabend teilte das italienische Gesundheitsministerium zudem mit, dass die Mutation bei einem Patienten in Italien nachgewiesen worden sei. Der Patient sei zusammen mit einer weiteren Person in den vergangenen Tagen aus Großbritannien zurückgekehrt und mit dem Flugzeug in Rom gelandet. Der Patient befinde sich nun in Quarantäne.

Auch Österreich will ein Landeverbot für Flüge aus Großbritannien verhängen. Details zu der Maßnahme würden noch erarbeitet, teilte das Gesundheitsministerium der östererreichischen Nachrichtenagentur APA mit. Die Mutation sei in Österreich bisher nicht nachgewiesen worden. Außerdem müssen Einreisende aus Großbritannien wie aus den meisten anderen Staaten laut der seit Samstag geltenden Einreiseverordnung für bis zu zehn Tage in Quarantäne.

Die britischen Landesteile Wales und Schottland verschärften ebenfalls die Restriktionen. In Griechenland müssen alle Einreisenden aus dem Vereinigten Königreich ab morgen eine Woche in Quarantäne. Norwegen verlangt einen negativen Corona-Test. Auch Schweden plant Reiserestriktionen. Großbritanniens enger Nachbar Irland untersagte für mindestens 48 Stunden Flüge aus Großbritannien.

Bulgarien reagierte ebenfalls mit einem Verbot für Flüge aus Großbritannien bis vorerst Ende des Monats. Auch in Tschechien dürfen ab Montag wegen einer Coronavirus-Mutation keine aus Großbritannien kommenden Flugzeuge mehr landen. Wie das Gesundheitsministerium in Prag auf Twitter bekannt gab, sollen gleich am Morgen alle damit zusammenhängenden Maßnahmen offiziell verkündet werden.

In Israel sprach sich Ministerpräsident Netanjahu sich für einen Einreisestopp für Passagiere aus Großbritannien, Dänemark und Südafrika aus. Netanjahu sagte am Sonntag, er habe ein Expertenteam angewiesen, dafür zu sorgen, dass die neue Virusvariante nicht nach Israel gelangen und sich ausbreiten könne.

Im Gespräch ist sogar eine vorübergehende Schließung des internationalen Flughafens Ben Gurion bei Tel Aviv. Nach Medienberichten wurden am Sonntag Passagiere von Flügen aus London nach ihrer Ankunft in Israel in Polizeibegleitung mit Bussen zur Quarantäne in spezielle Corona-Hotels gebracht.

Als offenbar erstes Land außerhalb der EU stoppte auch der Golfstaat Kuwait Flüge aus Großbritannien wegen der neuen Variante des Coronavirus. Das teilte die Aufsicht für die zivile Luftfahrt in Kuwait nach einer Anordnung der Gesundheitsbehörden mit.

Die Virus-Mutation wird für einen starken Anstieg der Infektionszahlen im Süden Englands verantwortlich gemacht. Für London und den Südosten Englands hatte die britische Regierung am Samstag wegen der neuen Virus-Variante einen strengen Lockdown bis Jahresende angeordnet. Hancock machte deutlich, dass die Maßnahmen länger nötig sein könnten, bis genug Menschen gegen das Coronavirus geimpft seien. Ohne Impfungen werde es „sehr schwer, es unter Kontrolle zu halten“, sagte der Minister.

In London und im Südosten des Landes sind die Menschen angewiesen, ihre Wohnungen nur noch in Ausnahmefällen zu verlassen. Alle Geschäfte, die nicht der Grundversorgung dienen, müssen schließen.

Ersten Erkenntnissen zufolge ist die neue Virus-Mutation „bis zu 70 Prozent ansteckender“ als die bisher verbreitete Form, wie der britische Premierminister Boris Johnson sagte. Sie sei aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht tödlicher. Es gebe auch keine Hinweise, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen durch den neuen Virus-Stamm beeinträchtigt werde, versicherte Johnson.

Auch in Südafrika kursiert eine neue Variante des Sars-CoV-2-Virus. Entdeckt worden sei die vorerst 501.V2 genannte Variante bei genetischen Untersuchungen von Proben aus verschiedenen Provinzen, sagte Gesundheitsminister Zweli Mkhize am Freitagabend in einer TV-Rede. Unklar ist bisher, ob sich das Auftauchen der neuen Variante auf künftige Impfungen auswirkt. Die bisherigen Strategien der Regierung sollen jedoch nicht geändert werden. (Tsp, dpa, AFP, Reuters)

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