Europas Zukunft: Deutschland muss für die Rettung der EU zahlen
Russland und die USA versuchen, Europa zu destabilisieren. Die Antwort sollte nicht Widerspruch sein, sondern Diplomatie - und ein Richtungswechsel. Ein Kommentar.
Die Geschichte der Europäischen Union ist die Geschichte der Ausdehnung einer großen Freiheitsidee auf einem durch Jahrhunderte von Kriegen zerrissenen Kontinent. Es ist eine Geschichte, die ohne permanente Ermunterung und Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika nicht möglich gewesen wäre. Und es ist eine Geschichte, deren Erfolg am Ende auch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zusammenhängt.
Diese Geschichte könnte nun an ihr Ende kommen.
Dass Wladimir Putins Russland kein Interesse am Fortbestand der EU hat, weiß man. Er will wieder Einfluss und Macht in Osteuropa zurückgewinnen. Fast jedes Mittel zur Destabilisierung dieser Region ist ihm recht. Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten wissen wir aber auch, dass dessen Amerika das vereinte Europa erst in Zwietracht treiben und dann zerstören will. Sein Jubel über den Brexit, seine Attacken gegen Deutschland beweisen es. Die Europäische Union hat statt einen nun plötzlich zwei mächtige Gegner – und da die EU selbst bisher keine Vorstellung von ihrer Zukunft hat, könnte der dritte Feind der Einheit des Kontinents seine Zerrissenheit sein.
So wie es aussieht, gibt es vor allen anderen ein Land, das die EU retten kann, und das ist Deutschland. Weil das sowohl Putin als auch Trump wissen, versuchen sie, die Rolle der Bundesrepublik in Europa zu diskreditieren und unser Land zu isolieren. Begreifen beide nicht, dass die Einbettung Deutschlands in Europa ein Stabilitätsanker für alle ist? Die deutsche Politik muss darauf reagieren, aber nicht durch trotzigen Widerspruch, sondern durch kluge Diplomatie – und einen Richtungswechsel.
Deutschland profitiert vom schwachen Euro mehr als andere
Trump und seine Berater werfen Deutschland vor, es missbrauche Europa aus egoistischen Gründen und schwäche den Euro, um seine Handelspartner zu übervorteilen. Am schwachen Euro ist Deutschland zwar nicht schuld. Aber es profitiert davon durch permanent wachsende Exporte mehr als jedes andere EU-Land.
Um das Kerneuropa müssen wir uns kümmern, mit allen Konsequenzen. Alle anderen können wir unterstützen, soweit unsere Kraft es erlaubt. Das zu erkennen und anzugehen wäre politisch mutig, aber auch absolut notwendig, in unserem eigenen Interesse
schreibt NutzerIn Gophi
Gleichzeitig hat der Rest Europas wenig Nutzen von dieser deutschen Dominanz. Im Gegenteil. Lange gefiel Deutschland sich in der Rolle des Zuchtmeisters der Europäer, wenn es um die Durchsetzung von Stabilitätszielen ging. Aber wir haben die gefährliche Jugendarbeitslosigkeit und die gesellschaftlichen Krisen in Südeuropa gesehen. Und glaubten, zu ihrer Lösung wenig beitragen zu können. Das ist ein Irrtum. Weder sollten wir deutsche Mentalitäten auf andere Länder übertragen, noch uns einbilden, dass Staaten ohne unsere industrielle Tradition schon irgendwann durch ähnliche Exporterfolge zu Wohlstand kommen können. Die Strukturfonds der EU sind bereits heute eine Ressourcenumverteilung von den reichen auf die armen Staaten, mit großen Erfolgen.
Deutschland wird sich darüber hinaus an den Gedanken gewöhnen müssen, dass es ohne eine Art horizontalen Finanzausgleichs in der Union auf Dauer nicht geht. Das Schlagwort von der „Vergesellschaftung der Schulden“, mit dem dagegen polemisiert wird, bringt keinen weiter. Mit der Tatsache, dass niemand so von Europa profitiert wie Deutschland, haben wir uns ja auch gut eingerichtet. Eigentlich sind beides zusammen die zwei Seiten einer Medaille.
Ja, wir werden zahlen müssen. Weil es allen nutzt. Alles andere würde teurer und wäre zum Schaden Europas.