Rettung Geflüchteter im Mittelmeer: Deutschland macht Probleme
Horst Seehofer war Mit-Initiator des Malta-Abkommens. Jetzt reduziert Berlin selbst dessen Erfolg. Die Grünen kritisieren das Innenministerium.
Eigentlich hatten sich Deutschland, Frankreich, Italien und Malta auf die Verteilung von Bootsflüchtlingen geeinigt. Dieser Schritt von wenigstens vier EU-Ländern hatte im vergangenen Jahr Hoffnungen geweckt, dass in die verfahrene Asylpolitik Europas Bewegung kommen könnte. Doch das ist nicht der Fall und einer der Problembereiter ist - Deutschland.
Auf Malta hatten sich die vier Länder am 23. September darauf geeinigt, künftig jene Bootsdramen zu unterbinden, wie sie sich seit Jahren regelmäßig im Mittelmeer abspielten. Nachdem es keine staatliche Rettung mehr im Mittelmeer gab, waren EU-Behörden seit dem Jahr 2017 massiv gegen private Rettungsschiffe vorgegangen. Schließlich verbot Italiens damaliger Innenminister Matteo Salvini sogar der eigenen Küstenwache die Einfahrt in italienische Häfen, wenn sie gerettete Schiffbrüchige an Bord hatten.
Einen Höhepunkt erreichten die Negativschlagzeilen über Europas Abschottung, als sich die deutsche Kapitänin Carola Rackete im Juni 2019 Salvini widersetzte und nach wochenlanger Irrfahrt trotz seines Verbots die 53 Menschen auf ihrem Schiff "Sea Watch 3" in Trapani auf Sizilien an Land brachte.
Deutschland hat Zusagen nur halb erfüllt
Die Einigung von Malta sollte diesem Zustand ein Ende setzen: Italiens und Maltas Häfen sollten für Rettungsschiffe offen bleiben, die Ankommenden zur Entlastung beider Länder binnen vier Wochen verteilt werden. Zunächst auf die vier Partnerstaaten selbst, die die allerdings hofften, ihren Kreis bald zu erweitern. Deutschland sagte zu, ein Viertel aller Ankömmlinge zu übernehmen.
Aus einer Erweiterung dieser kleinen Koalition der Willigen wurde nichts. Und selbst die Zusammenarbeit unter den vier Ländern funktioniert offenbar nicht. So hat Deutschland bisher gerade erst gut die Hälfte derjenigen aufgenommen, für die es Aufnahme zugesagt hat. Innen-Staatssekretär Mayer (CSU) sprach diese Woche auf einer Fachtagung der Grünen-Fraktion von 501 Aufgenommenen, das wären 56 Prozent der 889, für die Deutschland Zusagen gemacht hat. Die übrigen müssen weiter in Italien und Malta warten.
"Derzeit kein Personal"
Das Innenministerium (BMI) scheint über die eigene Praxis vor Ort nicht gern zu reden. Die Grünen-EU-Politikerin Franziska Brantner fragte jetzt beim Ministerium nach, welche deutschen Beamtinnen und Beamten denn in Italien und Malta vor Ort seien, um die Identität der Boat People zu prüfen und Sicherheitsbedenken abzuklären. Am 8. Januar erhielt sie darauf einen kurzen Satz als Antwort: "Derzeit ist kein Personal im Sinne der Fragestellung in Italien und Malta im Einsatz." Auf Anfrage des Tagesspiegels ergänzte ein Sprecher des Ministeriums jetzt, dass sich das auf die Lage zum Zeitpunkt von Brantners Anfrage bezogen habe. Die italienischen Behörden, deren Einverständnis nötig sei, hätten um eine Pause der Sicherheitsüberprüfungen bis zum 13. Januar gebeten. "Derzeit befinden sich insgesamt 12 Personen der Sicherheitsbehörden in Italien", so der Sprecher.
Die Prüfung ist nach Angaben des BMI selbst Voraussetzung dafür, dass die Menschen nach Deutschland kommen. Auf eine Anfrage der Linksfraktion im November hatte das Ministerium eingeräumt, dass eine wachsende Zahl von ihnen nach Überprüfungen abgelehnt wurden. Erledigt wurde diese Arbeit von deutschen Verfassungsschützern und Polizei vor Ort.
Franziska Brantner sieht in der Antwort aus dem Innenministerium die Absicht zu verschleiern: "Ich fordere Innenminister Horst Seehofer auf, endlich den Erlass und den Kriterienkatalog dafür zu veröffentlichen, und zu benennen, wie viele Kräfte dafür im Einsatz waren und sind", sagte sie dem Tagesspiegel. Eine "vollumfängliche Prüfung" müsse zudem im zuständigen Mitgliedsstaat, nicht in Lagern an den Außengrenzen erfolgen". Seehofer, so Brantner, solle sich zudem "stärker um eine europäische Lösung bemühen", erst recht wenige Monate vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die Mitte des Jahres beginnt.