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Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold.
© imago/Metodi Popow

EU-Budget: „Deutschland ist nicht der Zahlmeister Europas"

Die EU-Staaten tun sich schwer damit, genug Geld für die Zukunft des Kontinents bereitzustellen - das ist die Auffassung des Grünen-Europaabgeordneten Giegold.

An diesem Mittwoch debattiert das Europaparlament über das künftige EU-Budget zwischen 2021 und 2027. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold ist der Auffassung, dass Deutschland noch mehr zum Haushalt beisteuern muss als bisher geplant.

Herr Giegold, in Brüssel intensivieren sich die Verhandlungen über den künftigen Mehrjahreshaushalt der EU zwischen 2021 und 2027. Bekommt die EU das nötige Geld für die Zukunftsaufgaben?

Offensichtlich nicht. Die EU-Staaten tun sich schon sehr schwer, die Finanzlücke zu füllen, die der Austritt Großbritanniens hinterlässt. Noch schwerer tun sie sich aber damit, die notwendigen Zukunftsinvestitionen auf den Weg zu bringen. Wir brauchen mehr Geld für den Klimaschutz, Erasmus und eine Digitalisierung, die unserer Idee von sozialer Marktwirtschaft entspricht. Das Budget ist zentral für die Zukunftsfähigkeit und Handlungsfähigkeit Europas. Leider zeigen sich einige Mitgliedsländer äußerst knauserig. Noch schlimmer: Auch Deutschland gehört dazu.

Die Bundesregierung argumentiert, dass sie wegen des Brexit automatisch mehr Geld zur EU beisteuern wird. Ein Beitrag in Höhe von 1,0 Prozent der Wirtschaftsleistung würde für Berlin zusätzliche jährliche Zahlungen in Höhe von zehn Milliarden Euro bedeuten. Was sagen Sie dazu?

Bei dieser Rechnung wird übersehen, dass vor allem Deutschland von jedem Euro mehrfach profitiert, der in den Gemeinschaftshaushalt gesteckt wird. Wir zahlen mehr, profitieren aber auch umso mehr. All die Summen, über die jetzt verhandelt wird, sind im Übrigen ohnehin äußerst niedrig. Wenn die Bundesregierung nicht mehr als ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes beitragen will, dann zeigt das schon den Mangel an europäischer Ambition. Wenn wir lediglich bereit sind, ein Prozent von dem, was wir erwirtschaften, in die Zukunft unseres Kontinents zu stecken, dann sind wir einfach nicht auf der Höhe mit Großmächten wie China oder den Vereinigten Staaten. Wir müssen uns fragen, welche Finanzmittel für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben nötig sind, nicht andersherum.

Was schlagen Sie vor?

Wir brauchen eine andere Finanzierungsbasis für die EU. Wenn es eine europäische Unternehmenssteuer gäbe, könnten wir mehr investieren und gleichzeitig die Beiträge der Mitgliedstaaten sinken. Dann ließen sich auch europäische Investitionen stemmen, wie sie für ein funktionierendes europäisches Schienennetz oder Erasmus für alle notwendig wären. Noch ein Beispiel: Wir brauchen europäische Energienetze, mit denen die Umstellung auf eine CO2-neutrale Wirtschaft zu schaffen ist. Aber europäische Gemeinschaftssteuern, mit denen derartige Aufgaben finanziert werden könnten, wurden leider immer wieder von den Christdemokraten in Deutschland abgelehnt.

Verstehen Sie die Position der Bundesregierung, die auf einem Rabatt bei den Beitragszahlungen beharrt, weil Deutschland erheblich geringere Rückflüsse aus der EU-Kasse erwarten kann als beispielsweise Frankreich?

Es ist völlig falsch, derart den Rechenschieber anzulegen. Deutschland ist nicht der Zahlmeister Europas. Im Gegenteil: Deutschland ist mit Abstand der größte Netto-Profiteur des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes und des gemeinsamen EU-Haushalts. Deutschland tut sich mit vier anderen, eher EU-skeptischen Ländern in einem ’Club der Knausrigen’ zusammen – gegen Frankreich und andere, die mehr Geld für die EU ausgeben wollen. Das ist ein grundlegender europapolitischer Fehler. In Brüssel schütteln jetzt viele den Kopf und stellen sich die Frage: Was ist aus dem deutsch-französischen Motor geworden? Die Bundesregierung verkämpft sich im Kleingedruckten und übersieht die Größe der weltweiten Herausforderungen, denen die EU gegenübersteht.

Frankreich kämpft nach wie vor für ein ausgiebiges EU-Agarbudget. Ist diese Position noch zeitgemäß?

Beim Agrarbudget ist nicht entscheidend, ob es schrumpft, wächst oder gleichbleibt. Entscheidend ist, was wir mit diesem Geld machen. Derzeit subventionieren wir eine Landwirtschaft, welche die Artenvielfalt zerstört, mit den Tieren unwürdig umgeht und zunehmend Beschäftigung in den ländlichen Räumen zerstört. Trotz der hohen Summen, die in der EU-Agrarpolitik fließen, mussten zahlreiche Bauern aufgeben. Entscheidend ist, dass wir in die Zukunft der ländlichen Räume investieren – und die muss ökologisch sein. Es ist völlig unverständlich, dass Deutschland sich nicht für eine grundlegende Reform der gemeinsamen europäische Agrarpolitik einsetzt. Das ist vor allem angesichts des Klimawandels wirklich bedauerlich. Agrarpolitik ist schließlich auch Klimapolitik.

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