Kinder aus kurdischem Lager geholt: Deutschland holt Kinder von IS-Kämpfern zurück
Deutsche Diplomaten nehmen an irakisch-syrischer Grenze drei kleine Mädchen und einen Jungen in Empfang - Kinder von IS-Kämpfern.
Die Bundesregierung hat offenbar erstmals Kinder von deutschen Anhängern der Terrormiliz „Islamischer Staat“ aus Syrien herausgeholt. Mitarbeiter des Generalkonsulats Erbil (Nordirak) hätten an der irakisch-syrischen Grenze vier Kinder in Empfang genommen, teilte am Montag ein Sprecher des Auswärtigen Amts mit. Die Kinder hätten sich „bislang in Nordsyrien in Gewahrsam befunden“.
Es handelt sich um drei Mädchen im Alter von neun Monaten, zwei und vier Jahren sowie um einen sieben Jahre alten Jungen. Die Kinder waren seit dem Frühjahr in dem von der kurdischen Miliz YPG betriebenen Gefangenenlager Al Haul untergebracht. Die YPG hat mit Hilfe der USA Nordostsyrien vom IS befreit und eine Art Staat errichtet.
Die zwei Mütter der drei älteren Kinder waren mutmaßlich im März beim Angriff der Kurden auf Baghuz, die letzte Bastion des IS in Syrien, ums Leben gekommen. Die Mutter der zwei Mädchen stammte aus Baden-Württemberg, die des Jungen aus Hessen. Die Waisen wurden in Erbil den Großeltern übergeben.
Das vierte Kind, noch ein Säugling, ist schwer krank. Das Mädchen leidet nach einem Bericht von „Spiegel Online“ an Wassereinlagerungen im Kopf. Die Mutter ist eine Berlinerin, sie soll 2016 zum IS gereist sein. Die Frau und Geschwister des Säuglings blieben im Camp der Kurdenmiliz zurück.
Das Auswärtige Amt stand unter Druck
Das Auswärtige Amt stand nach einem Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts unter Druck. Die Richter hatten am 11. Juli in einem Eilverfahren die Bundesregierung verpflichtet, eine Mutter und ihre drei minderjährigen Kinder aus dem Lager Al Haul herauszuholen.
Die Regierung zögert jedoch, gefangenen IS-Leute aus Deutschland und deren Angehörigen zur Rückreise zu verhelfen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) befürchtet eine Zunahme der Terrorgefahr in der Bundesrepublik. Erst recht wenn es nicht gelingt, hier einen Haftbefehl für rückkehrende Erwachsene zu erwirken. Aber auch die Kinder werden wegen möglicher Radikalisierung durch die Eltern und den IS als Risiko betrachtet. Das Ministerium sprach kürzlich von 68 Frauen und mehr als 120 Kindern deutscher Islamisten in den Lagern in Nordsyrien. Die Kurden sagen, 66 Männer aus Deutschland säßen ein. Mehr als 40 hätten sich an Kriegsverbrechen beteiligt.
Das Auswärtige Amt betonte am Montag, die Regierung arbeite „mit Hochdruck daran, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass weitere deutsche Kinder aus Lagern im Nordosten Syriens nach Deutschland zurückkehren können“. Es bleibe jedoch „enorm schwierig, Kinder vor Ort ausfindig zu machen und zweifelsfrei zu identifizieren“. Nach der Schließung der Botschaft in Damaskus gebe es „keinen konsularischen Zugang in Nordsyrien“. Man sei auf die Hilfe „einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure angewiesen“. Damit sind vor allem die YPG und die Amerikaner gemeint.
US-Präsident Donald Trump hatte Deutschland und weiteren Ländern gedroht, wenn sie sich nicht um die Rücknahme ihrer Staatsbürger bemühten, würden diese in Syrien auf freien Fuß gesetzt. Die Bundesregierung bleibt jedoch dabei, den Bundesnachrichtendienst erst einmal in Nordsyrien die Identität der mutmaßlich aus Deutschland stammenden IS-Leute intensiv prüfen zu lassen.