EU-weite Polizeiaktion gegen illegale Flüchtlinge: Deutschland beteiligt sich mit Grenzpolizei
Am 13. Oktober beginnt eine europaweite Polizeiaktion gegen illegalen Flüchtlinge. Zwei Wochen soll sie dauern. Auch Deutschland wird sich beteiligen. Kritiker fordern aber ein Umdenken im Umgang mit Migranten.
Die deutsche Polizei wird sich ab Montag an einer zweiwöchigen EU-weiten "Gemeinsamen Polizeiaktion" gegen illegale Flüchtlinge beteiligen. Ziel der von der italienischen Ratspräsidentschaft geleiteten Aktion „Mos Maiorum“ ist nach offiziellen Angaben, organisierte Kriminalität zu schwächen, die illegale Immigration in die EU und den Schengenraum ermöglicht. Deshalb werde sich die Aktion vom 13. bis 26. Oktober vor allem auf illegale Grenzübertritte konzentrieren. Die Behörden sollen dabei auch Informationen über Schmugglerrouten in die EU und weitere Wege innerhalb der Binnengrenzen sammeln, die dann von Geheimdiensten und Polizei genutzt werden.
Das Innenministerium bestätigte dem Tagesspiegel auf Nachfrage, dass sich die Bundespolizei "im Rahmen ihrer grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung" an der "Mos Maiorum-Aktion" beteiligen will. Genauere Angaben wollte das Ministerium bisher nicht machen.
Bereits seit einigen Jahren koordiniert nahezu jede der halbjährlich wechselnden EU-Ratspräsidentschaften eine solche "Gemeinsame Polizeiaktion". Bei der jüngsten, auf illegale Flüchtlinge ausgerichteten Kontrollaktion "Perkunas" wurden 2013 insgesamt gut 10 000 illegale Migranten aufgegriffen, in Deutschland waren es 1606. Mehr Flüchtlinge wurden nur in Italien festgesetzt, dort waren es 4800. Die meisten von ihnen stammten aus Syrien, Eritrea, Palästina, Gambia und Afghanistan. Kontrolliert wird besonders in Grenznähe, an Autobahnknotenpunkten oder Bahn- und Flughäfen.
Zwei Wochen verschärfte Kontrollen
Während allerdings die bisherigen Kontrollen meist auf fünf Tage beschränkt waren, wird "Mos Maiorum" erstmals zwei Wochen dauern. Auch die EU-Grenzagentur Frontex soll direkt an der Aktion beteiligt sein und die italienischen Koordinatoren mit Risiko-Analysen und weiteren Infos zum sogenannten Secondary Movement versorgen, also zu den Wegen, die Flüchtlinge nach dem illegalen Grenzübertritt einschlagen. Auch das Innenministerium bestätigte, der Einsatz erfolge "in enger Zusammenarbeit mit der EU-Agentur Frontex". Italien hat die Flüchtlingspolitik und damit auch die "Flüchtlingskontrolle" zu einem zentralen Thema ihres Vorsitzes erklärt. Bei einem Gipfel der Innenminister am Donnerstag sollen weitere Maßnahmen diskutiert werden.
Bereits Ende Juli veröffentlichte die Nichtregierungsorganisation Statewatch das offizielle Schreiben der italienischen EU-Ratspräsidentschaft zu "Mos Maiorum" an die Mitgliedstaaten im Netz: Die nationalen Sicherheitsbehörden werden darin aufgerufen, zahlreiche Informationen zu sammeln und sie während der zwei Wochen täglich bis um elf Uhr vormittags an eine zentrale italienische E-Mailadresse zu schicken: Angaben zu Orten, an dem die illegalen Einwanderer aufgegriffen wurden, ihre Namen, Herkunft, Alter, Geschlecht, Ankunftsort und -zeit. Die Polizisten sollen zudem schriftlich festhalten, was sie über die Routen der Migranten herausfinden können: Transportmittel, Zielort, Route seit Grenzübertritt. Gab es gefälschte Reisedokumente? Wieviel Geld haben die Flüchtlinge ihren Schmugglern gezahlt? Aus welchem Land stammen die Schmuggler selbst? Eine Auswertung der Daten soll bis Dezember vorliegen.
Kritiker fordern einen anderen Umgang mit Migration
Zu einer solchen Aktion gehört die entsprechende Bürokratie. Die Behörden erhalten rote Formulare für direkte Grenzübertritte und blaue für Bewegungen innerhalb der EU, so erklärt es das veröffentlichte Schreiben. Die Daten sollen in einer Excel-Datei erfasst werden. Zu dieser vorgeschriebenen Ordnung passt auch der von der italienischen Vorbereitungsgruppe gewählte Aktionsname "Mos Maiorum", grob übersetzt "Sitte der Vorfahren". Dieser Begriff beschrieb ursprünglich römische Vorschriften für Recht und Ordnung, an die sich Bürger halten mussten, die im ehemaligen Weltreich aufsteigen wollten.
Alle EU- und Schengenstaaten sind eingeladen, sich zu beteiligen. Etwa 25 wollen nach Informationen des Tagesspiegels mitmachen. Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linken, hat zu den Details des Einsatzes eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung gestellt, die das Innenministerium noch diese Woche beantworten will. Hunko kritisiert wie Flüchtlingsorganisationen, dass bei solchen ausgedehnten Aktionen der Schengener Grenzkodex ausgehöhlt werde. Dieser schreibt vor, dass innerhalb von Binnengrenzen keine Grenzkontrollen durchgeführt werden. Zudem sei es bei einer solchen Aktion so gut wie unmöglich, das in Deutschland verbotene "racial profiling" zu vermeiden, also Kontrollen, die aufgrund von Hautfarbe oder anderen Körpermerkmalen erfolgt. Auch bei "Pro Asyl" sieht man diese Gefahr. "Wie will man auch konkret nach Migranten suchen", so fragt Sprecher Tobias Klaus, "ohne solche Raster zu verwenden?"
Der Linken-Abgeordnete Hunko geht in seiner Kritik noch einen Schritt weiter. "Mich stört, dass mit den Begriffen ,Schlepper' oder ,Schleuser' die Fluchthilfe auch aus humanitären, persönlichen oder politischen Motiven kriminalisiert wird", sagte er. "Wenn die EU stattdessen Korridore einrichtet, um den Geflüchteten den Weg über das Mittelmeer zu ersparen, erledigt sich das Problem der lebensgefährlichen und teuren Überfahrten von selbst." Ähnliches hatten auch schon Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Migrationsforscher gefordert.