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Im Gespräch für die geplanten Waffenlieferungen sind Panzerabwehrraketen vom Typ "Milan".
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Update

Unterstützung für Kurden im Irak: Deutschland bereitet Waffenlieferungen vor

Die Bundesregierung bereitet Waffenlieferungen in den Irak vor. Ein Votum des Bundestages über die Entscheidung ist offensichtlich nicht geplant.

Die Bundesregierung bereitet Waffenlieferungen in den Irak für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor. „Wir sind im Grundsatz bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten Waffen und Munition bereit zu stellen“, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch bei einem gemeinsamen Auftritt mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Berlin. Die Terroristen des Islamischen Staates „müssen gestoppt werden“.

Nun werde innerhalb der nächsten Woche geprüft, welche Waffen sinnvoller- und verantwortlicherweise geliefert werden könnten. Dann solle am kommenden Mittwoch entschieden werden, sagte von der Leyen. Steinmeier betonte, man werde sich eng mit den internationalen Partnern abstimmen. Mit der Unterstützung solle erreicht werden, dass sich die Kurden gegen die IS-Angriffe zur Wehr setzen könnten. Die Bundesregierung sei bereit, so bald wie möglich neben humanitären Hilfsgütern und Ausrüstungsmaterial wie Helmen und Schutzwesten Waffen auf den Weg zu bringen. „Wir sehen die Risiken, die damit verbunden sind“, sagte Steinmeier vor dem Hintergrund, dass es kaum möglich sein dürfte, zu kontrollieren, in welche Hände solches Material gerät. Bei der Lieferung werde man deshalb bei Art und Umfang der Waffen mit großem Augenmaß vorgehen.

Die Bundeswehr prüft die Lieferung von Handwaffen und Panzerabwehrwaffen für den Kampf gegen die IS. Das sagte Generalinspekteur Volker Wieker am Mittwoch bei einer Unterrichtung der Obleute des Bundestags-Verteidigungsausschusses, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Zu den Panzerabwehrwaffen der Bundeswehr zählen unter anderem die 40 Jahre alten „Milan“-Raketen, die gepanzerte Fahrzeuge in 300 bis 1950 Metern Entfernung bekämpfen können. Als Handfeuerwaffen bezeichnet man Gewehre, Pistolen aber auch Panzerfäuste. Die Kurden im Irak haben vom Westen panzerbrechende Waffen gefordert, um die von der IS-Miliz erbeuteten gepanzerten Fahrzeuge wirksam bekämpfen zu können.

Auch die Entsendung deutscher Ausbilder wird erwogen

Die Bundesregierung prüft auch die Entsendung von deutschen Militärausbildern in den Irak. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, verwies am Mittwoch in Berlin darauf, dass einige der in Frage kommenden Waffen ohne Schulung nicht bedient werden könnten. Er fügte aber hinzu: „Das ist nicht entschieden worden, und das ist auch nicht die einzige Option.“ So könnten irakische Ausbilder für bestimmte Waffen auch außerhalb des Iraks geschult werden.

Ruf nach Beteiligung des Bundestags wird lauter

Unterdessen wird der Ruf nach einer Beteiligung des Bundestags an einer möglichen Entscheidung über die geplanten Waffenlieferungen lauter. "Das ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung nicht alleine treffen sollte", sagte der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz dem Tagesspiegel. Die Bundesregierung müsse sich ein entsprechendes Mandat vom Bundestag holen, sagte Schulz weiter. Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“: „Ich glaube, das geht nicht am Parlament vorbei.“ Ein Votum des Bundestags verlangt auch die Grünen-Fraktion. „Die Bundesregierung darf eine mögliche Lieferung von tödlichen Waffen nicht ohne das Parlament beschließen“, sagte die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt „Spiegel Online“. Es würde sich um eine Entscheidung „von immenser Tragweite“ handeln. „Ich warne die Regierung vor einem Alleingang.“

Steinmeier sagte, der Bundestag würde über die zuständigen Ausschüsse über alle Entscheidungen informiert. Eine Einbindung des Parlaments in die Entscheidung ist damit offensichtlich nicht geplant.

Streit um Rüstungsexportpolitik

Zuvor hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Dienstag über 20 Betriebsratschefs deutscher Rüstungsschmieden getroffen. Gabriel schlägt in der Rüstungsexportpolitik - unabhängig von der geplanten Waffenhilfe für die Kurden - einen deutlich restriktiveren Kurs ein als seine Vorgänger. Die von ihm propagierte Wende hin zu einer restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik, so erklärte Sigmar Gabriel (SPD) nach dem Treffen mit den Betriebsräten in seinem Ministerium, sei nicht nur ein Sonderziel seiner Sozialdemokraten, sondern basiere auf gemeinsam gefassten Beschlüssen von Union und SPD. Er wolle sich jedenfalls „strikt an das halten, was die Koalitionsvereinbarung und die Rüstungsexportrichtlinien beinhalten“, versicherte der Vizekanzler.

Auf die schrillen Begleittöne aus der Union zu dem Treffen reagierte Gabriel mit demonstrativer Gelassenheit. Die Befürchtungen von Ökonomen und Wehrexperten der CDU und CSU im Bundestag hatte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), kurz vor dem Treffen auf eine griffige Formel gebracht: „Was Gabriel macht, ist aus meiner Sicht eine Gefährdung der nationalen Sicherheit.“

Gabriel: „Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen."

Seinen Gesprächspartnern aus den Betriebsräten, so sagte Gabriel nach dem Treffen, habe er deutlich gemacht, dass die Sorge um Arbeitsplätze bei Rüstungsexporten nicht das entscheidende Argument sein könne. „Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen“, zitierte der Politiker aus den Rüstungsexportrichtlinien, die die rot-grüne Regierung im Jahr 2000 beschlossen hatte. Gabriel bestritt, dass das Überleben von Rüstungsfirmen maßgeblich vom Export abhänge. Notwendig sei stattdessen die Konsolidierung und Europäisierung der Rüstungsbranche.

Auf den Vorwurf, er gefährde Sicherheitsinteressen, ging Gabriel nicht ein. Der SPD-Chef weiß, dass die Kanzlerin seine Kritiker zumindest öffentlich nicht unterstützt und keinen offenen Konflikt mit ihm sucht. Dazu passt, dass Unionspolitiker intern darüber klagen, dass der Wirtschaftsminister strittige Exportvorhaben gar nicht mehr an den Bundessicherheitsrat zur Entscheidung weiterleite, das Kanzleramt ihn aber gewähren lasse. In dem geheim tagenden Gremium müsste sich Gabriel womöglich gegenläufigen Argumenten von Unionsministern stellen. Wegen des Prinzips der Einstimmigkeit genügt dort allerdings ein negatives Votum, damit ein Antrag scheitert.

Merkel und Gabriel haben unterschiedliche Auffassungen

Anders als Gabriel hatte Merkel in der vergangenen Legislaturperiode Rüstungsexporte als wichtiges Instrument deutscher Außen- und Sicherheitspolitik bezeichnet. Im Herbst 2011 kündigte sie in einer Grundsatzrede vor der Körber-Stiftung an, Deutschland wolle Staaten unterstützen, die für regionale Sicherheit sorgen. Sie bezog sich dabei auch auf Schwellenländer. „Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein“, erklärte sie. Von diesem Grundsatz, so ist man zumindest in der SPD überzeugt, hat sich die Kanzlerin inzwischen stillschweigend verabschiedet.

Allerdings gehört die Strategie des „Enable and enhance“ – die sogenannte „Ertüchtigungsinitiative“ – weiter zu den Lieblingsprojekten der Kanzlerin. Weil Nato und EU nicht jede Krise lösen können und Bundeswehr-Auslandseinsätze immer unpopulärer werden, soll die EU andere Staaten ertüchtigen, selbst für Sicherheit in ihrer Region zu sorgen – momentan vor allem in Afrika. Gabriel-Kritiker Pfeiffer monierte, es sei unglaubwürdig, dass die Bundeswehr in Mali die Armee ausbilde, aber nicht mit Waffen ausrüste: „Wer A sagt und ausbildet, der muss auch B sagen und ausstatten.“

In der eigenen Partei findet Gabriels restriktiver Kurs viel Unterstützung, da die SPD sich gern als Friedenspartei präsentiert. Auch deshalb wies Generalsekretärin Jasmin Fahimi die Kritik aus CDU und CSU an dem Kurs des Wirtschaftsministers in scharfem Ton zurück. Trotzdem dürfte es auf der Klausurtagung des SPD-Präsidiums am Sonnabend Debatten geben: Parteivize Ralf Stegner stellte sich gegen die Entscheidung von Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die angesichts des anlaufenden Völkermordes an Minderheiten im Nordirak deutsche Waffenlieferungen zur Rettung der Bedrohten nicht ausgeschlossen hatten. (mit dpa)

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