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Schwarz-rot-gold - was steckt dahinter?
© picture alliance/dpa

Umfrage: Deutsch auch ohne deutsche Eltern

Deutsche Vorfahren sind nicht mehr nötig. Das Bild der Deutschen von sich selbst wird offener. Einerseits. Andererseits schließt es auch härter aus - Frauen mit Kopftuch zum Beispiel.

Um deutsch zu sein, braucht es nach Meinung der heutigen Deutschen keine lange deutsche Familiengeschichte mehr. Entscheidend ist es vielmehr, deutsch zu sprechen - das meinten praktisch alle (97 Prozent) jener mehr als 8200 Personen, die das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) in einer repräsentativen Studie befragte. Und für eine immer noch deutliche Mehrheit ist jede und jeder deutsch (79 Prozent), die oder der einen deutschen Pass besitzt. Das Abstammungsprinzip, das bis zur Reform vor fünfzehn Jahren das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht mehr als ein Jahrhundert lang beherrschte, hat also auch in den Köpfen ausgedient.

Das deutsche Wir und die Muslime

Dennoch bleiben die Vorstellungen dessen, was "deutsch" ist, sehr eng. Mit der Forderung nach akzentfreiem Deutsch als Kriterium für einen oder eine richtige Deutsche, schließen immerhin 40 Prozent praktisch viele aus, die frühestens als junge Erwachsene nach Deutschland gekommen sind oder eine andere Muttersprache haben. Mehr als ein Drittel der Befragten (38 Prozent) ist außerdem der Meinung, dass ein Kopftuch und Deutschsein unvereinbar seien. Überhaupt würden Muslime stark "aus dem deutschen Wir herausdefiniert", schreiben die Forscher unter Leitung der Berliner Politikwissenschaftlerin und Vizechefin des BIM, Naika Foroutan. 67 Prozent finden zwar, dass Muslime mehr Respekt verdienten und auch Forderungen stellen dürften - was ein anderes Fünftel für unverschämt hält - behandeln "muslimisch" und "deutsch" auf Nachfrage aber immer wieder als zweierlei. Ein großer Teil (40 Prozent) jener, die Muslime für aggressiver oder weniger bildungshungrig als sich und die eigene Gruppe halten, definieren diese Gruppe als "die Deutschen". Die Forscherinnen weisen außerdem darauf hin, dass das abstrakte Bekenntnis, dass Muslime dazugehörten, für viele keine praktischen Folgen haben darf: Fast die Hälfte (48 Prozent) findet, dass Lehrerinnen das Kopftuchtragen verboten werden müsse - was in acht Bundesländern der Fall ist - und beinahe so viele (42 Prozent) wollen, dass der Bau von Moscheen beschränkt wird. Knapp 70 Prozent der Befragten überschätzten den Anteil der in Deutschland lebenden Muslime drastisch: Statt der tatsächlich vier bis fünf Prozent nannten sie elf bis mehr als zwanzig Prozent.

Fremdwort Holocaust

Die Studie förderte auch einen dramatischen Wandel in der Umgang mit der Vergangenheit zutage. Die NS-Judenvernichtung gilt nur noch einem winzigen Teil der Bevölkerung als bestimmend für ihr Verhältnis zum Deutschsein: Nur 0,5 Prozent der Befragten nannten den Holocaust dafür als bedeutsam. Den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen nehmen noch 16 Prozent als wesentlich wahr. Das prägendste Ereignis ist dagegen für 49 Prozent der Befragten die Wiedervereinigung. Und die Identifikation mit dem Land ist sehr hoch - bei Herkunftsdeutschen übrigens wie bei Migranten. 85 Prozent aller Befragten und 81 Prozent der Migranten sagen sogar: "Ich liebe Deutschland."

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