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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Rede im Bundestag.
© imago images/photothek/Florian Gaertner

Tumulte bei Merkel-Rede zu Corona: „Der Winter wird schwer – aber er wird enden“

Einen Tag nach dem Beschluss für einen Teil-Lockdown verteidigt Merkel im Bundestag die Entscheidung. Die AfD stört ihre Rede massiv.

Kanzlerin Angela Merkel hat die breite Debatte über die harten Anti-Corona-Maßnahmen begrüßt und vor Populismus gewarnt. „Kritische Debatte schwächt nicht die Demokratie, sie stärkt sie“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin. Die Debatte wurde zum teil hochemotional geführt, Merkels Rede von AfD-Abgeordneten mehrfach durch Zwischenrufe gestört.

Sie mahnte aber auch: „Beschwichtigendes Wunschdenken und populistische Verharmlosung wären nicht nur unrealistisch. Es wäre unverantwortlich.“ Und weiter: „Lüge und Desinformation, Verschwörung und Hass beschädigen nicht nur die demokratische Debatte, sondern auch den Kampf gegen das Virus.“

Merkel verteidigte die am Mittwoch mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beschlossene Verschärfung der Corona-Regeln. „Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, sind geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Wenn wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, stattdessen warten würden, bis die Intensivstationen voll sind, dann wäre es zu spät.“

Am Mittwoch hatten Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder wegen neue Kontaktbeschränkungen beschlossen und entschieden, dass Restaurants wieder schließen und Hotels keine Touristen mehr aufnehmen dürfen.

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Abgeordnete der AfD störten die Rede Merkels zu Beginn mit ungewöhnlich vielen Zwischenrufen. Sie halten die Beschlüsse für maßlos und unangemessen. Nach knapp zehn Minuten ergriff Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) das Wort und forderte, Meinungen im Anschluss an die Regierungserklärung zu äußern. Niemand hätte Verständnis, wenn man Merkels Ausführungen nicht mit der gebotenen Disziplin anhören würde.

Schäuble wurde aber selbst auch von Zwischenrufen gestört und sagte daraufhin: „Wenn Sie den Präsidenten unterbrechen, kriegen Sie gleich Ordnungsrufe, das ist gefährlich“, warnte Schäuble. „Unser Land wie die ganze Welt und insbesondere Europa sind in einer außergewöhnlich schwierigen Lage“, sagte der CDU-Politiker weiter und forderte zum Zuhören auf.

Die Corona-Lage in Deutschland bezeichnete Merkel als dramatisch. In den vergangenen Wochen seien die Zahlen der Neuinfektionen „deutlich in die Höhe geschnellt“, sagte sie. Viele Gesundheitsämter seien an der Belastungsgrenze. „Wir befinden uns zum Beginn der kalten Jahreszeit in einer dramatischen Lage. Sie betrifft uns alle. Ausnahmslos.“ Die Kanzlerin sagte: „Der Winter wird schwer. Vier lange, schwere Monate. Aber er wird enden“

Die Bürgerinnen und Bürger rief Merkel zu weiterer Vorsicht und Solidarität in der Corona-Krise auf. Es komme auf jede und jeden einzelnen sowie Engagement, Ausdauer und Rücksichtnahme aller an, sagte sie. Die Pandemie stelle die Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht auf eine Bewährungsprobe - medizinisch, politisch, wirtschaftlich und sozial. Nur miteinander und füreinander komme man durch diese schwere Krise.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland forderte, dass der Bundestag über alle Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie entscheidet. Gauland warf der Bundesregierung „Kriegspropaganda“ vor. Das tägliche „Infektionszahlen-Bombardement“ solle den Menschen Angst machen. „Eine Corona-Diktatur auf Widerruf verträgt sich nicht mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, sagte er nach Merkels Regierungserklärung. Deutschland habe seine Freiheit zu mühselig errungen, „als dass wir sie an der Garderobe eines Notstandskabinetts abgeben“.

Gauland forderte differenziertere Maßnahmen wie etwa einen besonderen Schutz von Risikogruppen durch gesonderte Einkaufszeiten. Menschen, für die das Coronavirus nicht so gefährlich sei, dürfe man dagegen nichts verbieten, sagte er. Derzeit zahlten viele Menschen einen hohen Preis, die überhaupt nichts falsch gemacht hätten. „Wir müssen abwägen“, betonte Gauland, „auch um den Preis, dass Menschen sterben“.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hat die Bundesregierung gegen den Vorwurf verteidigt, sie übergehe das Parlament in der Corona-Krise. „Ja, wir haben Gewaltenteilung“, sagte der CDU-Politiker. Parlamentarismus und Demokratie funktionierten. In vielen Debatten, Gesetzesinitiativen und Haushaltsbeschlüssen habe der Bundestag den Rahmen dafür gesetzt, was die Regierung tun könne. „Es ist nicht die Aufgabe des Deutschen Bundestages, darüber zu entscheiden, ob sich 10 oder 15 Menschen treffen“, sagte Brinkhaus. „Das ist die Aufgabe der Exekutive.“ Die Rechtsdurchsetzung obliege zudem den Ländern, nicht dem Bund.

„Natürlich ist es so, dass Grundrechte und Freiheit eingeschränkt werden“, sagte Brinkhaus. Es sei auch wichtig, das immer wieder zu hinterfragen. „Freiheit ist nicht nur die Freiheit der Starken und der Jungen“, mahnte er. „Freiheit ist auch immer die Freiheit der Schwachen und der anderen.“ Fehler etwa beim Umgang mit der Wirtschaft könnte man korrigieren. „Der Tod eines Menschen, der Tod eines nahen Angehörigen ist irreversibel.“ Brinkhaus warf FDP-Fraktionschef Christian Linder vor, dass er der Regierung wegen des Versuchs, Land und Gesundheit vor einer unkontrollierten Ausbreitung von Corona zu bewahren, Aktionismus vorwerfe. „Ihre Vorgänger hätten sich dafür geschämt“, sagte Brinkhaus. (dpa, Tsp)

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